Fechtkunst in Wittenberg Fechtkunst in Wittenberg: Jetzt gibt es auch ein Hauen und Stechen

Pratau - „Wenn wir unseren Sport einem Laien zeigen, dann denkt der, wir machen Judo“, sagt Stefan Merker. Der Pratauer, der während der Woche in Halle lebt und als Grafiker und Illustrator arbeitet, hat sich ein eher ungewöhnliches Hobby ausgesucht. Er hat sich dem historischen Fechten verschrieben. Konkret bedeutet das den Kampf mit Langschwert, Rapier oder Langmesser, so wie er schon vor 700 Jahren ausgeübt wurde. Und den will er nun auch für Interessierte im Landkreis Wittenberg anbieten.
„Wir bedienen uns aus historischen Quellen“, erzählt der 34-Jährige. Die Fechtmeister des Mittelalters, die teils durch die Lande reisten und die verschiedenen Techniken und Kniffe der Krieger und Turnierkämpfer verschriftlichten, taten das zum einen im damals üblichen Mittelhochdeutsch, zum anderen oft in Versform. Einige bieten umfangreiche Illustrationen, andere bleiben bei reinem Text. Dazu gibt es inzwischen Übersetzungen und Interpretationen, mit denen die historischen Fechter dann arbeiten und die sie auch im Training verwenden.
„Es gab im Wesentlichen zwei verschiedene Arten des Kampfes“, sagt Merker. Eine eher höfische Variante und eine Krieges- oder Kampfeskunst, die stark an den Ringkampf erinnert. Die historischen Fechter verstehen ihr Hobby als Kampfkunst. Es geht eher körperlich zu, anders als man es vom modernen Fechtsport mit Degen, Florett oder Säbel kennt. Hebelwürfe, Griffe und auch aus dem Judo entlehnte Falltechniken gehören mit zum Repertoire. Letzteres haben die Sportler übrigens der alten Kampfkunst hinzugefügt, um sich vor Verletzungen zu schützen, was im Mittelalter nicht allererste Priorität zu haben schien.
Apropos Verletzungen: Leichte Prellungen passieren bei Übungskämpfen leicht. Die Sportler tragen zwar eine moderne Schutzausrüstung aus Helm, Handschuhen, Beinschützern und einer Schutzweste - und natürlich sind die Schwerter völlig stumpf - dennoch ist es ein Kampfsport. Wettkämpfe werden in einer Mensur ausgetragen, einem festgelegten Raum, den die Sportler - wie beim Ringen - nicht verlassen dürfen. Dann zählen besonders gute Treffer, ähnlich wie beim Fechten, nur dass es hier keine Weste mit einer elektronischen Trefferanzeige gibt.
In Halle trainiert Stefan Merker bereits seit einigen Jahren im Verein „INDES“, der sich der historischen Kampfkunst verschrieben hat. Hier gibt es drei Mal in der Woche Training, mit Langschwert, dem Messer und im Ringen. Etwa 50 Mitglieder habe der Verein dort inzwischen. Die meisten stammten aus dem studentischen Bereich, aber auch 50-jährige Frauen seien mit von der Partie. Nicht jeder müsse ein hartgesottener Kampfsportler sein, sagt Merker. „Viele kommen, weil sie sich für den historischen Background und die Techniken interessieren.“ Übungskämpfe seien optional - und bauten grundsätzlich auf dem Vertrauen der Sportler auf, vorsichtig miteinander umzugehen, wie es auch bei Judo, Karate und dem Ringen praktiziert wird.
In Pratau beginnt im kommenden Jahr eine Gruppe aus zehn Teilnehmern mit Stefan Merker als Trainer den Umgang mit dem Langschwert zu lernen. Die Übungs-Metallschwerter, die er zu Hause hat, werden den Teilnehmern aber erst einmal nicht in die Hand gedrückt. Los geht es dann mit Plastikschwertern. Die Teilnehmerliste ist inzwischen voll - diverse Nachrücker gibt es auch schon.
(mz)
