Ehrung in Oranienbaum Ehrung in Oranienbaum: Mutmaßungen über Brigitte Reimann

ORANIENBAUM - Bunte Blütenpracht auf dem Grab von Brigitte Reimann in Oranienbaum. Mit Rosen in vielen Farben haben Literaturfreunde am Wochenende der Schriftstellerin gedacht. Die Ehrung auf dem Friedhof war Bestandteil einer vom deutschlandweit tätigen Verein „Literaturlandschaften“ ins Leben gerufenen Aktion. Auch in Oranienbaum könnte dieser Rosentag zur Tradition werden, um Anfang Juni an einem Dichterort Erinnerungen durch die Blume sprechen zu lassen.
Immerhin knapp 20 Literatur-Enthusiasten hatten sich an dem sonnig-heißen Nachmittag auf dem Gottesacker eingefunden. Neben zahlreichen Mitgliedern des Kulturbunds Oranienbaum komplettierten ausgewiesene Reimann-Kenner die Runde. Zu ihnen gehörten Erika Becker, die die Geschäfte des Literaturzentrums Neubrandenburg führt, und die Vorsitzende der Brigitte-Reimann-Gesellschaft, Margrid Bircken aus Potsdam. Zudem weilten Dorothea Iser und Roland Stauf vom Kulturstammtisch Burg unter den Anwesenden.
Engagement des Kulturbunds
„Ich freue mich sehr, dass der Rosentag, von dem ich selbst 2015 erstmals erfahren habe, an Brigitte Reimanns letzter Ruhestätte diese Resonanz gefunden hat. Das ist auch dem großen Engagement des hiesigen Kulturbunds unter der Leitung von Marlies Ross zu verdanken“, sagte Erika Becker. Marlies Ross wiederum strich heraus, dass ihre Stellvertreterin Sigrid Reimann, die Schwägerin der am 20. Februar 1973 verstorbenen Schriftstellerin, bei einem Gespräch „mal ganz nebenbei“ anregte, die Idee des Vereins „Literaturlandschaften“ aufzugreifen.
„Ist sonst ein Gang auf den Friedhof meistens einem traurigen Umstand geschuldet, dem man eher gezwungenermaßen folgt, war es keine Frage für uns, bei der Aktion mitzumachen. Denn es ist ein schöner Gedanke, die schriftstellerische Leistung in dieser Form zu würdigen“, fand Margrid Bircken.
Mit viel Sinn für Zwischentöne stellte hernach Hartmut Ross Mutmaßungen über Brigitte Reimann an. Dabei schien ein starkes Bedauern durch, dass das Leben der Schriftstellerin, die am 21. Juli 1933 in Burg zur Welt kam, viel zu kurz war, um Oranienbaum in ihrem Werk einen breiteren Raum geben zu können.
Tatsächlich sei die Reimann nur ein einziges Mal persönlich in der Stadt gewesen, um ihre Verwandten zu besuchen. Den in den Tagebüchern klar und deutlich erkennbaren und in den literarischen Werken verschlüsselt und verfremdet auftauchenden jüngeren Bruder Ulrich, merkte Ross in seinem essayistischen Vortrag an. Dabei wäre es doch schön gewesen, von der Frau, die so viel von der Theorie und der Realität des Städtebaus verstand, zu erfahren, ob sie bemerkte, dass der von ihr besuchte Ort auf dem Reißbrett entstand!
Glühende Ausnahme-Frau
Allerdings dürfe man wohl davon ausgehen, dass Brigitte Reimann sogar in einer gewissen Regelmäßigkeit mit Familieninformationen aus der Barockstadt versorgt wurde. Denn ihr Vater, als Journalist in Burg ein echter Nachrichten-Mann, drängte alle zwei Wochen die verstreut wohnenden Sippenmitglieder zur Neuigkeitszirkulation.
Im literarischen wie im chronikalischen Werk helfe aber jedes Suchen nicht: Dort spiele Oranienbaum keine Rolle. Zwar habe Brigitte Reimann, diese in Leidenschaften glühende Ausnahme-Frau, „geschrieben und geschrieben und geschrieben“, resümierte Hartmut Ross, „leider aber nicht über Oranienbaum, das jedoch durch brüderliche Verbundenheit zu ihrem Ruheort geworden ist.“ (mz)
