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Bei Großbrand kennengelernt Bei Großbrand kennengelernt: Flammende Liebe seit 40 Jahren

Von Detlef Mayer 18.05.2019, 04:51
Petra (geborene Weis) und Peter Richter - vor 40 Jahren, am 17. April 1979, lernten sie sich am Tor des Wittenberger Mühlenbau-Betriebs kennen, als große Teile des Werks einem verheerenden Brand zum Opfer vielen.
Petra (geborene Weis) und Peter Richter - vor 40 Jahren, am 17. April 1979, lernten sie sich am Tor des Wittenberger Mühlenbau-Betriebs kennen, als große Teile des Werks einem verheerenden Brand zum Opfer vielen. D. Mayer

Elster - Nicht nur im übertragenen Sinne als „flammende Liebe“ begann die Beziehung von Petra und Peter Richter aus Elster. Sie lernten sich nämlich vor vier Jahrzehnten, konkret am 17. April 1979, vormittags vor dem Werkstor des Wittenberger Mühlenbau-Betriebs in der Dresdener Straße kennen - als in Teilen des metallverarbeitenden Unternehmens, in dem beide damals arbeiteten, ein verheerender Großbrand wütete.

Eine Tragödie für den Mühlenbau, Glück für Richters. „Wir kennen uns nun 40 Jahre und sind inzwischen 38 Jahre verheiratet“, sagt Petra Richter und gesteht, dass sie ein impulsiver Mensch sei. „Aber Peter hat mich gut gezähmt“, umschreibt die Elsteranerin ihre glückliche Beziehung, in der vor allem auf nie abreißende Kommunikation als Rezept gegen eventuelle Dissonanzen gesetzt wird.

Im „In Vino Veritas“

Seinen 40. Kennenlern-Jahrestag beging das Duo, das mittlerweile die 60 überschritten hat - er ist Jahrgang 1954, sie wurde 1956 geboren - in trauter Zweisamkeit. „Wir sind im ,In Vino Veritas‘ in Wittenberg Essen gewesen“, erzählen die Eheleute und lassen durchblicken, dass sie ihre privaten Jubiläen nie an die große Glocke hängen oder rauschend feiern - „von Anlässen wie der Silberhochzeit abgesehen“.

Doch zurück zum denkwürdigen 17. April 1979. Der ist bei Petra und Peter Richter tief im Gedächtnis verankert. „Das war der Dienstag nach Ostern“, kann sich Petra, die übrigens eine geborene Weis ist und aus Wittenberg stammt, erinnern.

„Wobei es in der DDR den Ostermontag nicht als Feiertag gab“, schiebt sie nach und nennt den Grund, weshalb sie das genau weiß: „Ostermontag-Abend war ich im Klubhaus ,Kürschner‘ bei einem Konzert mit Vroni Fischer. Auf dem Nach-Hause-Weg hat es geregnet.“ Sie wohnte in der Straße der DSF, heute Friedrichstraße.

Petra Richter befand sich zu jener Zeit in der Praktikumsphase, dem letzten halben Jahr ihres Studiums und musste zwischen Februar und Sommer 1979 im Betrieb ihre Hausarbeit schreiben.

Sie studierte von 1976 bis 1979 Ökonomie in Plauen, war vom Mühlenbau delegiert worden. In dem Wittenberger Unternehmen hatte sie zuvor, ab 1973, „Facharbeiterin für Schreibtechnik“ gelernt und ein Jahr im Bereich Materialwirtschaft gearbeitet, der am 17. April 1979 auch ein Raub der Flammen wurde.

Eingeborener Elsteraner

Peter Richter ist, was die Elsteraner einen Eingeborenen nennen. Er kam schon 1971 zum Mühlenbau, lernte zwei Jahre Maschinen- und Anlagenmonteur. Dennoch hatten er und seine spätere Frau über Jahre so gut wie keine Chance, sich bei der Arbeit kennenzulernen.

„Von 1973 bis 1976 war ich bei der Fahne“, rekapituliert Peter Richter die Zeit bei der NVA, „und dann ging Petra drei Jahre zum Studium“. Auch in den Mittagspausen der gemeinsamen Monate in der Firma lief man sich nicht über den Weg. „Unsere Essenzeiten haben sich ungünstig überschnitten.“ Erst der 17. April 1979 ließ sie aufeinander treffen.

„Mein Vater hat bei der Bahn gearbeitet“, schildert Petra Richter. „Gegen 4.30 Uhr kam er von seiner Schicht und meinte: ,Heute musst du nicht zur Arbeit. Eure Bude brennt.‘“ Der Feuerschein und der Qualm seien weit zu sehen gewesen, berichten Richters. „Verkohlte Papierschnipsel sind bis Elster geflogen.“

Trotzdem rollte Petra Weis mit ihrem Moped zum Mühlenbau. Peter Richter tat es ihr gleich, benutzte aber den Bus. Da stand die junge Frau vor ihrem Betrieb, keiner durfte das Gelände betreten, die Dresdener Straße vor dem Unternehmen war gesperrt. Von weitem sah sie, dass ihr Büro auch in Flammen stand. Ihre bereits zu Dreiviertel fertige Hausarbeit verbrannte ebenso wie der teure West-Taschenrechner, den sie jemandem abgekauft hatte.

Peter Richter, der damals in der Lehrwerkstatt tätig war, musste die Lehrlinge vorm Werkstor abfangen und in den Speisesaal umleiten.

Petra stand auf der einen Straßenseite und Peter auf der anderen. „Die muss doch da auch mal weg“, habe er gedacht und sei zu ihr gegangen. So sei man miteinander ins Gespräch gekommen, habe sich natürlich über das Feuer, aber ebenso über alles Mögliche unterhalten.

„Unter anderem habe ich ihr erzählt, dass ich aus Elster bin“, berichtet Peter Richter. Worauf sie erwiderte, dass dort Verwandtschaft von ihr lebe. „Und schon hatten wir einen Anknüpfungspunkt“, freut sich Petra Richter noch heute.

Gemeinsam machten sich die beiden Gedanken darüber, was aus der abgebrannten Firma wohl im Kapitalismus geworden wäre. „Bestimmt hätte man den Standort aufgegeben“, so ihre Annahme 1979.

Von dem Feuer betroffen waren, wie Petra Richter zusammenträgt, der Walzenstuhlbau, die darüber befindliche Materialwirtschaft und das Kleinteillager. „Den modernen Nachfolgebau, der dafür auf dem Gelände entstand, habe ich noch miterlebt. Da war ich noch beim Mühlenbau“, sagt sie.

Nach dem Großbrand verfügte die Materialwirtschaft über keine Daten mehr, beschreibt die Elsteranerin das Dilemma. Alles war ja in Papierform erfasst worden und ein Raub der Flammen geworden. Die Materialwirtschaftler wurden auf freie Plätze in anderen Abteilungen gesetzt und mussten die vor dem Brand ausgelösten Bestellungen bei den betreffenden Maschinenbau-Händlern abfragen und neu zusammenstellen.

„Dabei hatten wir Glück im Unglück“, merkt Petra Richter an. „Zum Nachbarbereich, der Lichtpauserei, gab es eine Brandschutztür. Hätte das Feuer auch die Konstruktionszeichnungen vernichtet, das wäre echt an die Substanz gegangen.“

Nach dem Brand versuchten sich Petra und Peter im Betriebsalltag öfter zu sehen - früh, wenn er mit dem Bus ankam, oder nachmittags, bevor sie nach Hause fuhr. Am 16. November 1979 lud er sie zum Karneval nach Elster ein. Und im Dezember brachte er sie zur Silberhochzeit seiner Eltern mit. Womit Eckard Zwade als Autor der Hochzeitszeitung nicht rechnen konnte und das Blatt kurzfristig ändern musste.

Das blieb nicht die einzige drollige Begebenheit, wie Petra Richter rekapituliert: „Wir haben uns an einem 17. kennengelernt, an einem 16. verlobt (November 1980) und an einem 15. geheiratet (August 1981). Unsere Vornamen fangen beide mit P an und unser Sohn Andreas (1984 geboren) hat eine Anne zur Frau.“

Für die Verlobungsringe aus dem Intershop, die später die Eheringe wurden, musste die Oma Westgeld locker machen - 58 D-Mark pro Ring. Die standesamtliche Trauung fand in Elster statt, ebenso die Feier - im Betonwerkssaal.

Auf dem Trauschein wurden die frisch Vermählten irrtümlich als Familie Weis statt Richter geführt. Ein Lapsus, den die damalige Standesbeamtin, die zudem selbst vergessen hatte, zu unterschreiben, erst nach der Wende korrigierte, als Petra Richter die fehlerhafte Urkunde noch mal zu Gesicht bekommen hatte.

Zu ihrem Mann meinte sie damals scherzend, entweder wir sind geschiedene Leute oder wir heiraten noch mal. Er plädierte für die zweite Möglichkeit - wegen der schönen Feier und der vielen Geschenke.

Selbst Standesbeamtin

Bis Dezember 1984 blieb Petra Richter dem Mühlenbau treu, ihr Peter bis zur Wende. Sie nahm ab Januar 1985 einen neuen Job bei der Gemeinde Elster, an, weil der Wittenberger Betrieb keine Teilzeitstellen bieten konnte, die junge Mutter aber genau eine solche brauchte.

Übrigens ist sie bis heute bei der Verwaltung, jetzt der Stadt Zahna-Elster, und seit sechs Jahren selbst Standesbeamtin. Als Rezept zum Glücklichwerden gibt sie ihren Brautleuten stets mit auf den Weg, viel miteinander zu reden, morgens nie ohne Gruß aus dem Haus zu gehen und sich abends Zeit zu nehmen für ein nettes Willkommen. (mz)

Dieses Bild hat Petra Richter ihrem Mann Peter 2014 zu dessen 60. Geburtstag geschenkt. Gezeichnet wurde es von Ina Phillipeit, Ehefrau von Nils Phillipeit, Leiter des Gemischten Chores Elster, in dem Petra Richter singt.
Dieses Bild hat Petra Richter ihrem Mann Peter 2014 zu dessen 60. Geburtstag geschenkt. Gezeichnet wurde es von Ina Phillipeit, Ehefrau von Nils Phillipeit, Leiter des Gemischten Chores Elster, in dem Petra Richter singt.
D. Mayer