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Bauarbeiten Kreis Wittenberg Bauarbeiten Kreis Wittenberg: Mit Eremit und Fledermaus

Von Marcel Duclaud 21.06.2016, 16:21
Das Pretzscher Schloss liegt idyllisch, ist ob der Elbnähe aber von Hochwasser gefährdet: Jetzt wird nach Jahren der Vorbereitung der Deich auf Vordermann gebracht.
Das Pretzscher Schloss liegt idyllisch, ist ob der Elbnähe aber von Hochwasser gefährdet: Jetzt wird nach Jahren der Vorbereitung der Deich auf Vordermann gebracht. sascha graf

Pretzsch - Pretzsch hat allerlei Besonderheiten zu bieten. Der „Eremit“ gehört dazu. Es handelt sich um einen seltenen Käfer, der in Baumhöhlen lebt und sich von Totholz ernährt. In Deutschland soll es noch etwa 50 Vorkommen des Eremiten, der auch Juchtenkäfer genannt wird, geben. Eines davon im Pretzscher Schlosspark.

Der unter Schutz stehende Käfer ist ein Grund, warum es nicht so ganz schnell ging mit dem Deichbau rund um das Schloss. Das erklärte Dörte Ruffert vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz am Montagabend im Bürger- und Vereinshaus der Stadt. Das war gut besucht zur eigens anberaumten Informationsveranstaltung. Kein Wunder, das Interesse an den Ende April gestarteten Arbeiten ist beträchtlich, nicht wenige Pretzscher verfolgen genau, was am Deich gegenwärtig geschieht.

Ganz billig werden die Arbeiten am Deich des Pretzscher Schlosses nicht. Nach Angaben aus dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft wird mit Kosten in Höhe zwischen zwei und zweieinhalb Millionen Euro gerechnet.

Unterdessen haben sich die Pretzscher ausdrücklich dafür bedankt, dass eine solche Informationsveranstaltung stattgefunden hat. Es habe eine Reihe von Fragen gegeben. Unter anderem die, was geschieht, wenn während der Arbeiten ein Hochwasser kommt. Die Baufirmen sind vorbereitet: „Wir haben Big Bags, um schnell reagieren und die Lücken schließen zu können“, hieß es. „Es ist wichtig, dass die Leute Bescheid wissen, schließlich sind sie betroffen“, begründete Ortsbürgermeisterin Diana Skowronek die Initiative zu der Veranstaltung. Sie kündigte bereits eine weitere an, die im Herbst stattfinden soll. (mz/mac)

Der Abschnitt, der jetzt in Angriff genommen worden ist, gehört zu den wenigen im Kreis Wittenberg, die noch nicht saniert sind. Zwar gab es schon Ansätze nach dem Hochwasser von 2002, aber die konkrete Planung erwies sich als hochkompliziert. Ruffert: „Es ist der schwierigste Teil, er heißt zwar erster Bauabschnitt, ist aber auf den letzten Platz gerutscht.“

Biosphärenreservat, Landschaftsschutzgebiet, Fauna-Flora-Habitat-Areal, Denkmalschutz: Die Forderungen der verschiedenen Seiten seien erheblich gewesen, erläutert Dörte Ruffert. Wegen des Eremiten zum Beispiel mussten mehrere Bäume - eine alte Birne und zwei Linden - umgesetzt werden: „Wir konnten die Naturschützer nicht vom Fällen überzeugen. Das kostete natürlich Zeit.“

Außerdem siedeln im Schlosspark nach den Worten der Flussbereichsingenieurin neun Fledermausarten. „Wir haben die abgesammelt, teilweise samt Höhlen aus den Bäumen herausgesägt.“ Im Park mussten 29 Ersatzhabitate geschaffen werden. Hinzu kommen eine der größten Saatkrähen-Kolonien im Landkreis und ein Bussardpaar mit zwei Jungen: „Wir sollen warten, bis die flügge sind.“ Und auch auf die Amphibien im Kolk gilt es nach den Worten von Dörte Ruffert Rücksicht zu nehmen: Erst Ende Juni dürfen dort die Baumaschinen anrücken.

Zu den Spezialitäten beim Naturschutz kommen die Auflagen vom Denkmalschutz. Die Planer hatten es im Falle des Deiches am Pretzscher Schloss offenkundig nicht ganz leicht: „Wir haben sehr viele Gespräche mit den Behörden geführt.“

Trotz aller Schwierigkeiten sollen die Arbeiten noch in diesem Jahr, Ende November beendet werden. „Das ist sportlich, aber wir versuchen den Termin zu halten.“ Begonnen wurde mit dem Abbau der alten Deichscharte an der Fischerstraße. Dort finden sich etwa alte Sandsteine, die auf Wunsch des Denkmalschutzes wieder integriert werden. Der alte Deich bleibt die Basis des neuen, er wird allerdings erheblich verstärkt und erhöht.

Bemessungsgrundlage ist laut Ruffert das Hochwasser von 2002. Ein Meter höher als damals das Wasser stand, lautet die Devise. Dass auch eine über hundert Meter lange Spundwand vorgesehen ist, hat nach Auskunft der Experten mit der Enge an dieser Stelle zwischen Mauken und Pretzsch zu tun, nur 600 Meter Platz seien da.

„Um die 600 Meter erhalten zu können, wird die Spundwand gesetzt. Danach geht es mit dem Erdbau weiter.“ Der Deichverteidigungsweg erfährt im Zuge der Arbeiten ebenfalls Veränderungen, er soll teilweise auf der Deichkrone verlaufen und breiter werden. Am Wiesenweg entsteht zudem statt der Scharte eine Überfahrt.

Neben der Deichsanierung müssen auch umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geleistet werden. Etwa 30 Bäume sind im Vorfeld gefällt worden, dafür ist Ersatz fällig. Ebenso für einen Kolk, der verfüllt wird. Bei Priesitz wird ein neues „Stillgewässer“ angelegt: „Um den Amphibien gerecht zu werden.“

Eine von zahlreichen Fragen an dem Abend lautete, ob denn vielleicht an eine Deichrückverlegung auf der Maukener Seite gedacht worden sei, um der Elbe mehr Platz zu geben und auf die Spundwand womöglich verzichten zu können. „Das“, bemerkte Dörte Ruffert, „wäre mit einer jahrelangen Planung verbunden.“ Und angesichts der Tatsache, dass dem Hochwasser von 2002 schon 2013 das nächste folgte, sei eine gewisse Eile beim Pretzscher Deich geboten. Eine Deichrückverlegung ist nach ihren Worten allerdings anderenorts im Gespräch: und zwar im Bereich Priesitz/Sachau. (mz)