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Bahnhof Wittenberg Bahnhof Wittenberg: Theorie und Praxis am Zug

Von Irina Steinmann 17.12.2016, 05:00
Noch wird am Umfeld des Bahnhofes gebaut, erst 2017 soll alles fertig gestellt werden.
Noch wird am Umfeld des Bahnhofes gebaut, erst 2017 soll alles fertig gestellt werden. Klitzsch

Wittenberg - Im Durchschnitt täglich 3.650 Nutzer hat laut Bahn der Wittenberger Hauptbahnhof. Auch wenn deren Zahl 2017 erheblich steigen wird, zählt die Lutherstadt doch schon heute zu den wenigen Städten dieser Größenordnung, die über eine hervorragende ICE/IC-Anbindung verfügen und nicht bloß wie so manche ungleich größere Stadt über einzelne Stopps.

Mit dem Fahrplanwechsel vom Sonntag hat die Bahn nun auch die insbesondere für Pendler lästige zweieinhalbmonatige Verknappung beendet: Es herrscht wieder Ein-Stunden-Takt im Fernverkehr Richtung Norden.

Aber was machen die Wittenberger eigentlich aus diesen kommoden Bedingungen? Zur Eröffnung des neuen Empfangsgebäudes am 9. Dezember hatte die MZ mal ein bisschen herumgefragt in der offiziellen Gästeschar. Herausgekommen ist dieses - nicht repräsentative - Ergebnis: Zuletzt „gestern“, und das überrascht nun nicht unbedingt, war die Kreisvorsitzende der Grünen, Reinhild Hugenroth, Zug gefahren.

Doch auch Rudi Kaufhold, Touristenführer und Stadtpolitiker (FDP), war erst am Vortag unterwegs, im Regionalverkehr. „Lange her“, gab dagegen Peter Pajak vom Stadtmarketing zu Protokoll, und wenn Zug, dann bei Städtetrips. Richard Thomas von den Freien Wählern nutzt die Bahn gelegentlich als „Flughafenzubringer“, und „hin und wieder“ steigt auch der Sozialdemokrat Friedemann Ehrig ein; dann freilich gern mit Fahrrad, das man in Sachsen-Anhalt, was ihn freut, ja gratis mitnehmen darf im Regionalverkehr.

„Neulich“ erst ist der Bürgermeister, Jochen Kirchner, gefahren und Stefan Kretschmar (Freie Wähler) war „in diesem Jahr mehrfach in Leipzig“. Bahnaktivisten wie Dieter Schollbach (Linke) oder der Direktor des Lucas-Cranach-Gymnasiums Bernd Ludlei sind natürlich öfter auf der Schiene. „Ich fahre sehr oft“, sagt Schollbach, regional und ICE, beides.

Der „alte Eisenbahner“ hat allerdings auch Kritik parat: Umsteigefrei nach Leipzig? Das war einmal im Regionalverkehr, bedauert er. Niemand aber sagt mehr, und das ist dann durchaus ein Fortschritt auf der Schiene: „Zugfahren? Zuletzt in der DDR“.

Auch unser Martin Luther nutzt „sehr gerne“ den Zug und wäre nun nicht Bernhard Naumann, wenn er dies nicht auch eloquent begründen würde: Man wird gefahren und „gleitet durch die Landschaft“ und wenn alles gutgeht, ist man auch schon in Bretten, Wittenbergs Partnerstadt. Das, zeigt ein Blick in den Fahrplan, ist dann allerdings Bahnfahren für Fortgeschrittene...

Und der Oberbürgermeister? Rundete in seiner Eröffnungsrede die von der Bahn genannten mageren 3650 schon mal auf (erhoffte) dauerhaft 4000 Besucher auf. Torsten Zugehör (parteilos) erinnerte bei der Gelegenheit auch daran, dass es schließlich nur jeweils gut 30 ICE-Minuten sind, die Wittenberg von den beiden Metropolen Berlin und Leipzig trennen.

Und er betonte auch, was noch der strikteste Luther-Abstinenzler einräumen muss: Ohne die große Geschichte der Lutherstadt und deren Folgen bis ins Heute hätte es den neuen Bahnhof wie auch die üppige Fernverkehrsanbindung bestimmt nicht gegeben.

Mit dem ICE-Halt ist es freilich wie mit den Geschäften im Hauptbahnhof: Nur was genutzt wird, hält sich auch dauerhaft. Darauf hat, zumindest mit Blick auf Brot und Bücher, zuletzt der Ministerpräsident hingewiesen. Und selbst? Fährt Reiner Haseloff (CDU), wie er der Öffentlichkeit sagte, sehr gern mit Familie, „Kindern und Enkeln“, per Zug herum. Für den täglichen Weg zur Arbeit, möchte man hinzufügen, wäre die Verbindung auch zu schlecht. (mz)