Auslauf für die Hunde
Hundeluft/MZ. - Was für ein putziger Name: Hundeluft! 271 Menschen, so viele Einwohner hat der kleine Flämingort, dürften noch stets ein freundliches Grinsen auslösen, wenn sie erzählen, wo sie herkommen. Wo der Name herkommt, weiß die Internet-Enzyklopädie Wikipedia, wo vieles drinsteht, aber eben auch viele drinherumrühren. Deshalb ausnahmsweise ohne Gewähr: Hundeluft leitet sich ab von einem Gelände, wo die "Burgherren ihren Hunden Auslauf gewährten". Aha.
Eine Burg gab es tatsächlich auf dem Dorfe, und wer ganz, ganz genau hinguckt, erkennt vielleicht auch noch ein paar Reste. Mächtige Bäume wachsen heute dort, wo sich einst die Burg befand, ein Raubrittersitz bis 1412 und seit nunmehr zehn Jahren in Privatbesitz, wie auf einer großen Infotafel inmitten der ländlichen Stille nachzulesen ist. Das gilt, erläutert Burgherr Roland Achatzi, natürlich nicht für das "Flächendenkmal" Burg, das dem Land gehört, aber immerhin für das "Vorwerk" mit der Remise, einem lang gestreckten Fachwerkhaus mit Rittersaal direkt an der Roßlauer Straße.
Dort hat auch der Burgverein seinen Sitz, dessen Vorsitzender Achatzi ist, übrigens ein gebürtiger Wittenberg-Seegrehnaer (und deshalb schon aus rein persönlichen Gründen einer Fusion des Ostteils von AZE mit dem Nachbarlandkreis nicht abgeneigt). Die etwa 30 Mitglieder haben sich nicht nur der Burg, sondern allgemein der Förderung der ländlichen Traditionen verschrieben, so dass neben dem Tag des offenen Denkmals auch eine eher exotische Veranstaltung wie das so genannte Stationärmotortreffen zu den Höhepunkten im Kalender von Verein und Öffentlichkeit gehört. Letzteres macht einen Höllenkrach und zieht trotzdem regelmäßig Hunderte Interessierte an, so zuletzt am 27. Mai.
Ein gut erhaltenes Prachtstück in Hellgelb, das man in so einem kleinen Ort keineswegs vermutet, ist dagegen die evangelische Barockkirche von 1746, eine achtseitige Rotunde. (Es gibt übrigens, bemerkenswert genug, auch noch eine katholische Kirche.) Hier finden gelegentlich sogar Konzerte statt. Einen eigenen Pfarrer hat die Kirche dagegen schon länger nicht mehr. Pfarrer Jörg Natho sitzt im einige Kilometer entfernten Weiden, ein Ortsteil von Jeber-Bergfrieden, und ist, wie heutzutage üblich auf dem Lande, gleich für eine ordentliche Handvoll Dörfer zuständig. Aber was bedeutet das schon im Vergleich zum Los des Gasthofs "Zu den Linden" gleich neben der Kirche. Nur ein Kaugummi-Automat ist davon übrig geblieben und zwei alte Linden. Und wer weiß, was aus dem "Forstamt" wird, ein Opfer der jüngsten Reform.
Aber die Neuzeit hat auch im Positiven keineswegs einen Bogen gemacht um Hundeluft. Ganz im Gegenteil. Die Dorferneuerung hat deutliche - und wunderschöne - Spuren hinterlassen an den Straßen und den Häusern. Die Alte Schmiede wurde vom "Findlingsverein", einem von vier (!) Vereinen im Dorf, sogar zu einem kleinen Kulturzentrum ausgebaut.
"Hundeluft", sagt Rolf Petrasch in selbstbewusster Abwandlung eines bekannten Mottos, "ist eben ganz früh aufgestanden." Ruckzuck ging es damals los mit der Dorferneuerung, gleich nach der Wende. Da war Petrasch, der Ortschronist, noch nicht Bürgermeister, das ist er erst seit 2001, aber Gemeinderat und Vize war der heute 63-Jährige schon in den 90ern. Da hat er Hundeluft auch schrumpfen sehen. "Wo keine Arbeit ist ..." Und doch gibt es Menschen, die extra hinziehen. "Ich bekomme einige Berliner her." Mittlerweile sind es schon vier Familien.