Abschied vom Brauhaus Abschied vom Brauhaus: Doppelter Thesenanschlag für Peter Fasbender

Wittenberg - Manchmal entdecken Gäste diese Urkunde von 1967. Sie hängt noch nicht sehr lange über dem runden Tisch mit dem originellen Weinflaschenleuchter. „Was, der lebt noch?!“, wundern sie sich dann. Ja, der lebt noch! In der Gastronomie fängt man früh an und hört, mindestens in diesem Fall, spät auf. Wenn man überhaupt aufhört.
Bankette im KTC
Es ist ein sonniger Frühlingstag im Jubeljahr 2017, ein halbes Jahrhundert später, als Peter Fasbender diese Anekdote beiläufig auf einer Pressekonferenz erzählt. Wie er, als ganz junger Gastronom, noch keine 25, unversehens mit der Ausrichtung der „Bankette“ im KTC („Gorki“) beauftragt wurde. Eine „Herausforderung“, sagt Fasbender heute.
Die DDR wollte sich nicht blamieren. Zum 450. der Reformation hatten sich zahlreiche Ehrengäste angesagt. Zwischen 300 und 500 Leute, erinnert sich der bekannte Wittenberger Gastronom, kamen da zusammen, pro Empfang. Klar, auch Westgäste.
Der junge Fasbender muss seine Sache jedenfalls gut gemacht haben: „Sie haben in Vorbereitung und Durchführung des 450. Jahrestages der Reformation als untrennbaren Bestandteil der nationalen Jubiläen 1967 ausgezeichnete Leistungen vollbracht“, bescheinigt ihm schriftlich der Vorsitzendes des Rates des Kreises, ein Herr Hoppe. „Sozialistisch“, kommentiert Fasbender den Text und erinnert sich gern an die mit der Auszeichnung verbundene Prämie: 200 Mark.
Eine andere Zeit, in vielerlei Hinsicht, nicht nur sprachlich. Die Kalten Büfetts, um die es hier ging, sie waren auch ausschließlich kalt. Allerdings trugen die Speisen teils sehr interessante Namen. Wer kennt heute noch Galantinen? „Üppige Zubereitungen aus ganzen, entbeinten Tieren“, weiß immerhin Wikipedia. Für die Ehrengäste im KTC haben sie sie damals aus Enten gemacht und aus Aal, erinnert sich Fasbender. Galant, galant! „Niveauvoll“ war’s, sagt Fasbender.
Wenn man so will, begann damals, in jenen - übrigens nur - zehn Feier-Tagen rund ums 450. des Thesenanschlags, die Karriere des Wittenbergers, der zwei Jahre zuvor sein Studium an der Fachschule in Leipzig abgeschlossen hatte und inzwischen bei der HO Abteilungsleiter war für den Gaststättenbereich. Die Büros befanden sich über dem „Magnet“, heute würde man eher Cund A sagen - wenn die nicht auch schon wieder weg wären...
Als gelernter Koch und Kellner ist der junge Fasbender herumgekommen, er arbeitete in Leipzig - als Messe- eine besondere Stadt - und auch in Prag. Er besuchte die Handelshochschule und zehn Jahre lang, bis 1976, arbeitete er zudem als Berufsschullehrer, eine Erfahrung, von der noch die Rede sein wird.
Die Wende in Templin
Die Wende erwischte ihn als Hotelier in Templin. Wobei erwischen, wie sich herausstellt, ein ganz falsches Wort ist. „Ich zähle zu den wenigen“, sagt Fasbender, „die die Wende gemeistert haben.“ Er sei da „nicht stolz drauf“, das sei eben so. Eine Tatsache. Er wünschte, sagt er, dies wäre mehr Kollegen geglückt... Er jedenfalls übernahm damals das KTC. Gemeinsam mit Dietmar Hegner von der „Schloßfreiheit“ gründete er den Kreisverband der Dehoga, deren Mitglied er, auch auf Landesebene, bis heute ist.
Schwieriges Pflaster Piesteritz
Die Wittenberger kennen Peter Fasbender aus vielen Restaurants und Hotels, oft betrieb er auch parallel mehrere Häuser in der Stadt. Im „Piesteritzer Hof “ etablierte er die „Hacienda“, das mexikanische Steakhaus „ging wie geschnitten Brot“ und bestand bis zur Jahrtausendwende - die Nachfolger dort sollten glückloser sein.
Ja, sagt Fasbender, Piesteritz sei eben ein „schwieriges Pflaster“ - der Wittenberg-Tourist esse und nächtige lieber im Zentrum. Zum Beispiel im „Brauhaus“, das Fasbender mit Partnern seit acht Jahren als Inhaber führt, zuletzt übernahm man vor zwei Jahren auch noch den benachbarten „Goldenen Adler“. Zwei Kanzler (Kohl, Schröder) und eine Kanzlerin in spe hat er hier oder da oder dort bewirtet, und das ist jetzt nur der politische Teil einer Promischar...
Aber jetzt ist Schluss. Schluss für Peter Fasbender. Nach weit mehr als einem halben Jahrhundert in der Gastronomie nimmt der 74-Jährige Abschied vom „Brauhaus“. Seinen Part in der Inhabergemeinschaft übernimmt der langjährige Betriebsleiter Ulf Töpfer. Am Donnerstag, also morgen, wird gefeiert: „Fassi“, wie ihn Freunde nennen, wird an diesem Tag nämlich auch 75. Tatsächlich: 75! „Gute Gene“, sagt der Fast-Jubilar kokett und strahlt über sein fast faltenfreies Gesicht.
So richtig aufhören wird einer wie er aber natürlich nicht. Die „Grüne Woche“ steht bevor, an der er sich schon seit Jahren beteiligt, und die Kneipenmusiknacht, korrekt: Nacht der Livemusik, wird auch 2018 wieder von Fasbender mitorganisiert. Als „Privatier“ bleibt er Mitglied in der Dehoga und in der Sozietät Norddeutscher Brauereiverbände mit Sitz im feinen Hamburg.
Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Hans-Jürgen Crahmer will er zudem weiter in der Außengastronomie aktiv sein bei verschiedenen Wittenberger Veranstaltungen wie etwa Töpfermarkt und Weihnachtsmarkt, sagt der Mann, der der Lutherstadt seinerzeit auch den hochumstrittenen „Marktschirm“ bescherte, übrigens sein erstes Außen-Projekt mit Crahmer.
Zurück an die Schule
Und sonst? Mehr Tennis, mehr Golfen („Ich will mein Handicap verbessern“) und auf jeden Fall: mehr Lesen. Wahrscheinlich reicht das alles aber nicht, um die nächsten Jahre zu füllen. Weshalb Peter Fasbender, fast 75, ein weiteres Comeback plant: Er möchte zurück an die Berufsschule, stundenweise als Dozent für den Nachwuchs in der Gastronomie.
A_Der will heutzutage gepflegt sein, weiß auch er. Seit drei Jahren seien die Arbeitskräfte knapp in der Branche, da müsse man reagieren, nicht nur finanziell. Auch eine Weihnachtsfeier etwa gehöre dazu. Gefeiert wurde am Montag. Am 8. Januar? Wann denn sonst?, fragt Fasbender zurück. Im Weihnachtsgeschäft?
Der scheidende Inhaber des Brauhauses zählt zu jenen, die auch öffentlich nie ein Hehl daraus gemacht haben, dass sie 2017 sehr gut verdient haben. 30 Prozent mehr Umsatz in Gaststätte und Hotel, ein „fulminantes Ergebnis“, fasst Fasbender zusammen. Ja, 2017 war ein „Ausnahmejahr“, das kommt nicht wieder. Dass 2018 besser wird als 2016, davon sei er aber überzeugt. Freilich ohne ihn. Macht nichts.
Dass er auch die 500-Jahr-Feier mitgestalten würde, habe er sich nicht träumen lassen, damals, 1967.
(mz)
