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Weißenfels kämpft um Reha Weißenfels kämpft um Reha: Zu alt für die Kur?

Von klaus-dieter kunick 12.09.2013, 19:17
Irma und Bruno Swikle zeigen das Ablehnungsschreiben der AOK. Doch der Senior will nicht aufgeben.
Irma und Bruno Swikle zeigen das Ablehnungsschreiben der AOK. Doch der Senior will nicht aufgeben. peter lisker Lizenz

weissenfels/MZ - Dass Bruno Swikle in seinem Leben noch einmal so kämpfen muss, hätte er nie für möglich gehalten. Der Weißenfelser kämpft um eine Reha. Die wird ihm aber seitens der AOK Sachsen-Anhalt verwehrt - seitdem ist er auf die Kasse sauer. Sehr sogar. Denn: Der 92-Jährige fühlt sich als Opfer des medizinischen Dienstes der Krankenkasse.

Rückblick: In diesem Jahr erlitt der Senior einen Herzinfarkt, er wird im Weißenfelser Krankenhaus behandelt. „Ich werde in den OP gebracht, Ärzte setzen mir einen Stent in die Herzkranzgefäße. Alle kümmern sich rührend um mein Wohlergehen“, berichtet er. Er lobt zugleich die hohe Kunst der Ärzte im Weißenfelser Krankenhaus. Nach ein paar Tagen, noch in der Intensivpflege, raten die Mediziner zu einer Reha, damit sich der Kreislauf langsam normalisiert und er belastbar wird.

Doch Bruno Swikle hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Die AOK teilt ihm in einem ersten Gutachten mit, dass „nach eingehender Prüfung“ der Antrag auf eine Reha abgelehnt wird. Er legt Widerspruch ein, worauf ihm die AOK wiederum mitteilt, dass er den zurücknehmen solle. Der Senior, der viele Jahre lang eine Gärtnerei führte, lässt das nicht auf sich beruhen und schaltet die MZ ein. „Trübe Gedanken beschäftigen mich“, schreibt er in einem Leserbrief. „Bin ich als alter Mann nicht mehr tragbar für die Krankenkasse? Womöglich steht schon der Sensenmann vor der Tür? Also sparen wir die Kosten für die Reha“, teilt er mit. „Der medizinische Dienst hat meinen Mann nach der Operation nie zu Gesicht bekommen. Die können doch gar nicht einschätzen, wie es gesundheitlich um ihn steht“, ergänzt seine Frau Irma (77). Nach Meinung von Bruno Swikle ist bei der AOK, die sich „Gesundheitskasse“ nenne, etwas nicht in Ordnung. Da werden Urteile des medizinischen Dienstes von Leuten am Schreibtisch gefällt, die nie den Patienten gesehen hätten. Unwillkürlich habe man den Eindruck, dass besagter Dienst nicht nach ärztlichen Kriterien urteilt, sondern allein nach ökonomischen. Dazu Bruno Swikle: „Es muss gespart werden.“ Er frage sich zugleich, ob die AOK dem Anspruch, eine „Gesundheitskasse“ zu sein, gerecht werde.

Im Weißenfelser Krankenhaus versteht man die Welt nicht mehr. „Unsere Fachärzte sprechen sich eindeutig für eine Kur aus“, erklärt die Pressesprecherin des Klinikums Madlen Redanz. Jedem stehe nach einem Herzinfarkt eine Kur zu, egal welchen Alters derjenige sei. Das sei klar im Sozialgesetzbuch geregelt. Bruno Swikle hätte gute Chancen, dass seine Forderung vom Sozialgericht erfüllt werde.

Das mag sein, aber die AOK hat dennoch eine andere Auffassung dazu. Christiane Riedel, Pressesprecherin der AOK Sachsen-Anhalt, teilt mit, dass Herr Swikle während einer Operation ohne Narkose einen Stent erhielt. Die OP sei ohne Probleme verlaufen, er sei beschwerdefrei aus dem Krankenhaus entlassen worden. Dem Weißenfelser sei Herzsport empfohlen worden.

Nach dem Widerspruch von Bruno Swikle wurde am 21. August erneut ein Gutachten - ohne Swikle zu untersuchen - vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erstellt. Dazu meint Riedel, dass eine Notwendigkeit zur Anschlussrehabilitation auch dieses zweite Gutachten - dem Swikle ebenfalls widerspricht - für nicht gegeben sah. Riedel: „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden erbracht, wenn eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht.“ Laut Gutachten werde eine wohnortnahe ambulante Behandlung mit Einbindung eines Kardiologen empfohlen und als ausreichend erachtet.

Über solche Aussagen verschlägt es den Fachärzten die Sprache. „Mir bleibt förmlich die Luft weg, das geht überhaupt nicht“, erklärt der Oberarzt der kardiologischen Station am Zeitzer Krankenhaus Jörn Röhler. Wer einen Herzinfarkt hatte, dem steht eine Reha zu. „Da gibt es nichts zu diskutieren.“ Und auf Nachfrage bekräftigt auch Madlen Redanz noch einmal, dass Sven Möbius-Winkler, er war Spezialist am Leipziger Herzzentrum, und arbeitet nun am Weißenfelser Krankenhaus, sich für eine Reha ausgesprochen habe.

Nachdem die MZ erneut bei der AOK anrief und sie mit diesen Fakten konfrontierte, kam am Donnerstaabend die Information: Im Antragsschreiben zur Reha-Maßnahme sei von keinem Herzinfarkt die Rede gewesen, so die Pressesprecherin. Der Widerspruch von Bruno Swikle liege derzeit zur Bearbeitung im Widerspruchsausschuss. Das Ergebnis der neuerlichen Prüfung bleibe abzuwarten, hieß es weiterhin.