1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Weihnachtsserie: Weihnachtsserie: Rentnerin beim Bundesfreiwilligendienst in Schelkau

Weihnachtsserie Weihnachtsserie: Rentnerin beim Bundesfreiwilligendienst in Schelkau

Von anka stolper-heinike 15.12.2013, 13:54
Bärbel Gerste hilft Marcel und Andy (von links) beim Malen. Die Arbeit mit den behinderten Bewohnern empfindet sie als Bereicherung.
Bärbel Gerste hilft Marcel und Andy (von links) beim Malen. Die Arbeit mit den behinderten Bewohnern empfindet sie als Bereicherung. peter lisker Lizenz

schelkau/MZ - „Unsere Bärbel ist eine ganz Liebe“, verkündet Marcel Just und strahlt dabei übers ganze Gesicht. Der junge Mann lebt seit Jahren im Haus „Sonne“ der Caritas Wohn- und Förderstätte „Julius von Pflug“ für geistig und körperlich behinderte Menschen. „Seine“ Bärbel heißt Bärbel Gerste, ist 66 Jahre alt, Rentnerin und seit März dieses Jahres im Bundesfreiwilligendienst tätig.

Eigentlich könnte die gebürtige Kaynaerin ihr gerade begonnenes Rentnerleben genießen. Doch auch nach 43 Jahren Tätigkeit als Berufsschullehrerin möchte die in Zeitz lebende Mutter einer erwachsenen Tochter nicht die Hände in den Schoß legen. Schon während ihrer Berufszeit sei klar gewesen, dass es danach weitergehen wird, erzählt Bärbel Gerste, während sie Marcel und Andy beim Malen hilft. „Für mich stand fest, dass ich weiter arbeiten und unter Leuten sein will. Es befriedigt mich nicht, zu Hause zu sein. Ich möchte noch immer gebraucht werden“, erzählt sie.

„Ich wusste, dass es für den Bundesfreiwilligendienst keine Altersgrenze gibt und dass man so die größten Chancen hat, einen Job zu bekommen“, so Bärbel Gerste. Deshalb sei sie zum Arbeitsamt in Zeitz gegangen. „Doch dort haben die mich nur groß angeguckt und nicht verstanden, weshalb man in diesem Alter noch arbeiten möchte“, so die Rentnerin. Sie ärgert sich noch heute über die Aussage der Behörden-Mitarbeiterin, dass es nicht Aufgabe des Amtes sei, ihr eine Arbeit zu suchen. Das müsse sie schon selber tun. Bärbel Gerste suchte weiter - und stieß auch bei der Stadtverwaltung Zeitz auf taube Ohren. Dorthin habe sie sich gewandt, weil ihr ein Bundesfreiwilligenjahr in einer Kindereinrichtung vorschwebte. „Auch hier kam keine positive Reaktion. Die waren einfach nur schwerfällig“, erinnert sich die Rentnerin im Unruhestand. Als Frau mit Durchsetzungskraft suchte sie weiter und rief beim Caritas-Wohnheim im Knittelholz an. Da die Zeitzer Einrichtung zur Wohnstätte „Julius von Pflug“ in Schelkau gehört, verwies man sie dorthin. Die pädagogische Leiterin der Wohnstätte, Sieglinde Vachulka, habe auf ihre Anfrage mit den Worten: „Wir können immer jemanden brauchen“, reagiert, erzählt Bärbel Gerste. Am 2. Mai dieses Jahres nahm sie ihren Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) im Haus „Sonne“ auf. Zuvor habe ihr Hausleiterin Gerlinde Thoma alles gezeigt und erklärt.

„Ich habe registriert, was da auf mich zukommt. Und ich habe es mir zugetraut“, betont Bärbel Gerste. Seit einem halben Jahr unterstützt sie nun das Team im Haus „Sonne“, ist zum Beispiel behilflich beim Zubereiten und Austeilen der Mahlzeiten. Und sie schenkt den behinderten Bewohnern Zeit. Sie geht mit ihnen spazieren, bastelt, singt und dichtet auch mal. 21-Wochenstunden sind in Bärbel Gerstes Arbeitsvertrag festgeschrieben. Doch sie schaue nicht auf die Uhr, genieße stattdessen die Zeit in Schelkau. „Ich spüre, dass ich gebraucht werde“, versichert die Rentnerin. Dass die 180 Euro Monatsentlohnung für die Anfahrt mit dem Auto zur Arbeit draufgehen, stört Bärbel Gerste nicht. Wegen des Geldes habe sie sich diese Tätigkeit schließlich nicht gesucht.

Das wissen auch die Mitarbeiter im Haus „Sonne“. „Wir sind froh, dass sie hier ist. Bärbel nimmt uns viel Arbeit ab, für die wir kaum Zeit haben“, sagt Krankenschwester Annika Krause. Gerade hilft Bärbel Gerste wieder einem der Bewohner , sich die Jacke anzuziehen. Berührungsängste vor den behinderten Bewohnern habe sie nie gehabt, sagt die Bundesfreiwillige und fügt hinzu: „Meine Azubis in der Berufsschule waren schließlich auch nicht immer gut drauf.“