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Sechs tote Jugendliche Tragödie in Arnstein weckt schlimme Erinnerungen in Großkorbetha

Von Andrea Hamann-Richter 04.02.2017, 09:00
In einer Gartenlaube in Arnstein starben sechs Jugendliche.
In einer Gartenlaube in Arnstein starben sechs Jugendliche. Marcus Scheidel

Großkorbetha - Nico Wiruch hat Warnmelder gegen Kohlenmonoxid (CO) in seinem Haus in Großkorbetha installiert. Das ist für ihn selbstverständlich. „Drei Geräte. Auf jeder Etage eins“, sagt der 33-Jährige.

Kohlenmonoxid-Vergiftung: Katastrophe vor fünf Jahren in Großkorbetha

Das hat einen Grund. Wenn der Mann an die Katastrophe vor wenigen Tagen in Arnstein denkt, bei der sechs Jugendliche an dem Gas starben, werden Erinnerungen wach, weil es einen ähnliche Katastrophe vor fünf Jahren beinahe in Großkorbetha gegeben hat. Die Familie, die damals noch Wiruchs Haus bewohnte, ist dem Tod knapp entkommen.

Es hatten sich große Mengen des Gases gebildet. Die Warnmelder, die heute Nico Wieruch gehören, schlugen jedoch Alarm.

Die Geräte hatte der damalige Eigentümer des Hauses besorgt. Er arbeitete zu dieser Zeit in der Schweiz. Dort hatte er von einigen Unfällen mit Kohlenmonoxid gehört und darauf bestanden, dass solche Geräte ins Haus eingebaut werden. Der Grund war die Holzpellets befeuerte Heizung des Hauses. Diese Pellets bestehen aus Säge- und Hobelspänen und scheiden Kohlemonoxid aus.

Sensor verhinderten Beinahe-Katastrophe

Eine frische Ladung wurde wenig später angeliefert und im Keller des Hauses eingelagert. Plötzlich ging der Sensor los. Die Mutter des Hausbesitzers lüftete und fuhr weg. Als sie abends nach Hause kam, hörte sie schon wieder den Alarm und schaute nach. Auf dem Display war deutlich ein Totenkopf zusehen - höchste Alarmstufe.

Die Feuerwehr wurde alarmiert. Sie testeten den CO-Gehalt in der Luft. Er hatte bereits lebensgefährliche Werte. Die Pellets wurden in den Hof geschafft. Sie waren feucht gewesen. Dadurch hatte sich das tödliche Gas gebildet. Zudem hatten sich die Pellets auf 45 Grad erwärmt und waren hoch explosiv. Die Brandbekämpfer mussten unter Atemschutz arbeiten. Das war so anstrengend, dass sie nach 20 Minuten so erschöpft waren, dass sie sich abwechseln mussten.

Vorfall hatte für großen Schrecken in Großkorbetha gesorgt.

Später entschied sich die Familie, noch einmal neu zu bauen und verkaufte das Haus. Nico Wieruch übernahm Heizung und Warnmelder. „In jedem Fall hätte ich nach dieser Geschichte auch selbst Warnmelder eingebaut“, sagt der Mann nachdrücklich. Die Fast-Katastrophe hatte zu ihrer Zeit für einen großen Schrecken in der Kommune gesorgt.

Nico Wieruch heizt immer noch mit Pellets. Die Melder geben ihm die Sicherheit. Sie funktionieren tadellos. Bis jetzt musste er nur die Batterien wechseln. „Ich habe auch noch keinen Alarm gehabt“, sagt der Mann. Er weiß, wenn die Pellets nicht feucht und richtig gelagert sind, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich CO bildet.

Kohlenmonoxid-Vergiftung: So wenige Atemzüge reichen aus.

„Geruchlos, geschmackslos, farblos und hoch explosiv“, zählt der stellvertretende Weißenfelser Stadtwehrleiter Steve Homberg vier Merkmale des Gases auf. Pro Jahr gibt es 600 Brandtote, aber 1.500 Menschen sterben durch Kohlenmonoxid, sagt er. „Drei bis vier Atemzüge reichen aus“, macht er klar. Das Gas bindet sich an die roten Blutkörperchen.

Daher sehen Vergiftete hochrot aus. Außerdem japsen sie, denn sie bekommen nicht mehr genügend Sauerstoff. Das ist ein ganz gefährlicher Kreislauf, denn dadurch gelangt noch mehr Kohlenmonoxid in das Blut. Als erstes sterben in einem vergifteten Gebäude die Haustiere. Babys sind die nächsten Opfer, danach trifft es die Erwachsenen.

Warum Betroffene so gut wie chancenlos sind.

Aber eigentlich seien die Betroffenen so gut wie chancenlos, erklärt Homberg. Sie bemerken es nicht, werden schläfrig, bewusstlos und dann sterben sie - so wie die Jugendlichen in Arnstein. Selbst wenn sie gerettet werden, sind Langzeitschäden möglich. Innerhalb von 10 bis 15 Minuten sterben Gehirn- und Nervenzellen ab, macht Homberg deutlich.

„Kohlenmonoxid entsteht, wenn ein Brennmaterial nicht richtig verbrannt ist“, sagt der stellvertretende Stadtwehrleiter. Das kann auch passieren, wenn die Heizung schlecht eingestellt sind, oder sich etwas verstellt hat. Das kann seiner Meinung nach in jeder Heizanlage geschehen. Selbst verschlossene Türen zur Kamin, Heizung oder Pelletkeller schützen nicht vor CO. Das Gas ist so feinflüchtig, dass es sogar durch Betonwände und Schornsteine dringt.

Was der Experte zum Schutz vor der Vergiftung mit Kohlenmonoxid empfiehlt

Daher empfiehlt er für jeden Haushalt mit eigener Heizung unterm gleichen Dach Warnmelder. „Sie sollten niedrigschwellig eingestellt sein und somit schnell anschlagen“, sagt Homberg. Außerdem rät er, auf solide Hersteller zurückzugreifen, damit das Produkt auch funktioniert. Geräten aus dem asiatischen Raum vertraut er nicht.

Dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger Christian Lieder machen besonders Kamine Sorgen. „Viele Besitzer halten sie nicht richtig sauber“, sagt er. Außerdem würden sie sämtliches Zeug verbrennen, was dort nicht hineingehöre und so könne Kohlenmonoxid entsteht. „Hundertmal geht das gut, aber einmal passiert dann etwas“, sagt er. (mz)