Nachtleben in der DDR Stadthallen in Weißenfels: Bardame Karin hat bis heute Kultstatus

Weißenfels - Wenn Stadtführerin Gudrun Schulze vor dem Goldenen Hirsch in der Weißenfelser Nikolaistraße Halt macht und an die Bars in den damaligen Stadthallen erinnert, dann leuchten bei vielen älteren Weißenfelsern die Augen.
Denn mit dem Roten Salon oder der Hafenbar sind viele schöne Erinnerungen verbunden. Auch an eine Bardame wird sich dann gerne erinnert. Jeder nennt sie nur „die Karin“.
Erinnerungen an den Goldenen Hirsch in Weißenfels: Bardame Karin war oft Kummerkasten für ihre Gäste
Die heute 76-Jährige ist schon damals eine Institution gewesen. Zwischen 1971 und ungefähr 1979 habe sie in den Stadthallen gearbeitet, erzählt die langjährige Unternehmerin. Dass die Stadthallen den Weißenfelsern so gut in Erinnerung geblieben sind, das freut sie. „Das war für viele damals ein Stückchen Heimat“, erzählt Karin Richter.
Und ja, nicht selten sei sie auch selbst ein Kummerkasten für viele gewesen. Wer etwas auf dem Herzen hatte, der habe sich schon mal extra einen Tag herausgesucht, an dem sie nicht so viel zu tun hätte, verrät die Weißenfelserin.
Erinnerungen an den Goldenen Hirsch in Weißenfels: Nach dem Brand 2000 wurde der Saal abgerissen
Wird sie nicht selbst wehmütig ob der Erinnerungen an die wunderschöne Live-Musik im Roten Salon? „Wehmut darf nicht sein. Da macht man sich kaputt“, sagt Karin Richter. Aber ja, natürlich sei das damals eine schöne und warmherzige Zeit gewesen. „Ich habe das sehr gerne gemacht“, verrät sie.
Als der Saal nach einem Brand 2000 abgerissen wurde, sprach man sie prompt auf der Straße an. „Karin“, sagte eine Frau damals, „deine Stadthallen schieben sie zusammen.“
Goldener Hirsch in Weißenfels: Die Geschichte der Stadthallen reicht weit zurück
Generationen von Weißenfelsern haben in den Stadthallen getrunken, gegessen und getanzt. Denn die Geschichte des Gebäudes reicht weit zurück. Es stammt laut Historiker Gerhard Bach aus dem 16. Jahrhundert und hieß ursprünglich „Zum güldenen Kreuz“. Zu Zeiten des Herzogs haben darin Gäste logiert. Aber auch die Kurfürstliche Posthalterei kam zwischenzeitlich in der Nikolaistraße unter.
Der Festsaal ist 1835 angebaut worden. Darin fanden unter anderem erste Filmvorführungen statt, erzählt Historiker Gerhard Bach. Später ist der Goldene Hirsch 1907 noch einmal umgebaut worden. Die Gäste hatten die Wahl zwischen Konzerten und Varieté. Die Wendungen der Geschichte haben aus dem Gebäude ein Haus mit vielen Namen gemacht. Mal war der Goldene Hirsch nach dem Krieg ein Haus der Offiziere für die sowjetische Armee, später dann ein Haus der Werktätigen.
Vergangenheit der Stadthallen in Weißenfels: Fliegeralarm bei der Hochzeit
Eine 96-jährige Weißenfelserin erinnert sich noch daran, wie sie im Roten Salon am 8. April 1944 ihre Hochzeit gefeiert hat. Nach der Trauung in Marienstraße und Marienkirche kehrte die Hochzeitsgesellschaft im Roten Salon ein. Es war ein aufregender Tag, erzählt die Seniorin. Nicht nur wegen der Hochzeit. „Da war am Nachmittag sogar Fliegeralarm“, erzählt sie. Konnte die Braut den Tag dennoch genießen? „Das war doch gang und gäbe“, sagt sie ruhig. Gefeiert habe man natürlich trotzdem. Bis Mitternacht auf jeden Fall.
Nach der Wende wurde es ruhig um den Goldenen Hirsch. Die Pläne, daraus eine Nobelgaststätte zu machen, sind nie umgesetzt worden. Nach besagtem Brand verschwand der Saal. Heute ist das historische Haus eine Ruine.
Erinnerungen an den Goldenen Hirsch in Weißenfels: Bardame „die Karin“ war sogar auf Rügen populär
Die Fotos von Karin Richter aber erinnern an fröhlichere Zeiten. Die Arbeit in der Hafenbar, erzählt die langjährige Unternehmerin, habe ihr sogar weit über die Stadtgrenzen hinaus Popularität verschafft. So sei sie auch mal auf der Insel Rügen als „die Karin“ erkannt und gegrüßt worden. Kein Wunder, sei Weißenfels doch stets Garnisonsstadt gewesen. Und auch bei den in Weißenfels stationierten Soldaten waren die Stadthallen beliebt.
Den Namen „Roter Salon“ verdankte die schlauchförmige Bar in der ersten Etage übrigens ihrer Wandfarbe. Und in der Hafenbar gab es selbstverständlich auch Bullaugen, erzählt Karin Richter. Sie selbst hat nach der Wende bis zum Sommer vergangenen Jahres das Parkrestaurant auf dem Klemmberg geführt. (mz)
