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Spaziergang durch die Jahrhunderte

Von ANDREAS RICHTER 16.05.2010, 17:04

WEISSENFELS/MZ. - Ein bisschen unruhig wird Gudrun Schulze dann doch. Immerhin war vorher der Zeitplan abgesprochen worden, doch nun singt der Männergesangsverein aus der Partnerstadt Kornwestheim in der Marienkirche länger als geplant. Und jene, die an diesem Sonnabendabend gemeinsam mit der Vorsitzenden des Weißenfelser Gästeführervereins pünktlich direkt zum Treffpunkt für den Museumspfad durch die Stadt gekommen sind, bekommen draußen kalte Füße.

Doch dann wird noch alles gut. Nachdem der verdiente Beifall für die Sänger verklungen ist, strömen die vielen Gäste der Museumsnacht aus dem Gotteshaus. "Bitte rücken Sie noch etwas dichter zusammen", ruft Gudrun Schulze den knapp 200 Leuten zu, die sich auf einen Streifzug durch die Jahrhunderte begeben wollen. Vornweg läuft Volker Seyboth, der seine klammen Finger beweglich hält und seinem Dudelsack die passenden Klänge entlockt. Gudrun Schulze, gekleidet als Frau aus der Gründerzeit, spickt den Rundgang mit interessanten Informationen aus der Stadtgeschichte. So hören die Gäste zu Beginn vom Türmer, der einst im 42 Meter hohen Turm der Marienkirche lebte, und davon, dass das Gotteshaus vor zehn Jahren als "Kirche des Jahres" in Sachsen-Anhalt auserkoren war.

Ein kurzer Ohrenschmaus des Langendorfer Volkchors erwartet die Spaziergänger am ehemaligen Kloster. Dort erinnert Gudrun Schulze unter anderem an den Rechenmeister Ernst Hentschel (1804-1875), der einst die deutsche Chorbewegung begründete. Dass der heutige Stadtpark im Mittelalter eine Beerdigungsstätte war, erfahren die Teilnehmer des Rundgangs wenig später. Erst in den Jahren 1904 / 05 wurde das Gelände auf Initiative des Weißenfelser Verschönerungsvereins in einen Stadtgarten umgewandelt. Im Stadtpark erinnert Gudrun Schulze auch an die Verdienste von Johannes Wadehn, Bürgermeister von 1897 bis 1909, dem die Wandler auf den Spuren der Stadtgeschichte später noch "persönlich" begegnen sollen.

"Hier steht eine wunderschöne mehrere hundert Jahre alte Buche", sagt die Gästeführerin wenig später am Georgenberg. Dort schlägt sie den Bogen von der Vergangenheit des ältesten Stadtteils als Herrschersitz bis hin zur Gegenwart, zu der gleich nebenan auch das umstrittene Parkhaus gehört. "Fremde finden das Parkhaus interessanter als die Weißenfelser selbst", plaudert sie aus ihrer Erfahrung als Gästeführerin.

In die Vergangenheit tauchen die Spaziergänger wieder an der letzten Station des Pfades, am Latrinengebäude am Schloss, ein. Dort übergibt Gudrun Schulze an Mike Sachse, der über die wechselvolle Geschichte des Hauses berichtet - von der Nutzung als Latrine zur Preußenzeit, später als Munitionslager bis hin zur Sanierung im vergangenen Jahr. Interessiert lauschen auch Regina und Reiner Krebs. "Wir gehen auch sonst mit wachem Auge durch die Stadt und freuen uns über jeden Fortschritt", erzählen die beiden Weißenfelser und sind voll des Lobes über den diesjährigen Museumspfad.

Am Latrinengebäude taucht auch Johannes Wadehn auf, verkörpert vom Weißenfelser Jörg Riemer. Der verdiente Bürgermeister macht die Gäste neugierig auf die vielen weiteren Angebote dieser Museumsnacht - von Spukgeschichten im Schloss bis hin zu einem "makabren Schauspiel" im Geleitshaus. Dorthin will eigentlich auch Familie Krebs. Allerdings wird es wenig später eng im Keller des Geleitshauses. Viele wollen das Ein-Frau-Stück von Franziska Bareins über die letzten Stunden einer zum Tode Verurteilten erleben - einen von vielen interessanten Tupfern eines ereignisreichen Abends.