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Simon-Rau-Zentrum Simon-Rau-Zentrum: Tag der Erinnerung in Weißenfels

Von Carmen Busch 28.01.2015, 17:18
Für einen Tag in Weißenfels: Edna und David Sternreich, Tsipi Lev, Ofer und Snir Marcus (hinten v. l.)
Für einen Tag in Weißenfels: Edna und David Sternreich, Tsipi Lev, Ofer und Snir Marcus (hinten v. l.) Peter Lisker Lizenz

Weissenfels - „Wir sind nur für diesen einen Tag hier. Wir wollen gemeinsam gedenken und ein klares Zeichen gegen den Rassismus setzen“, sagt Edna Sternreich aus Israel. Gemeinsam mit ihrem Mann David ist sie anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau nach Deutschland gereist. Auf Anfrage des Weißenfelser Simon-Rau-Zentrums seien sie gerne nach Weißenfels gekommen, denn hier sind die Wurzeln des Ehemannes, dessen Vater in Weißenfels geboren wurde.

Viele Lücken gefüllt

David Sternreich lebt mit seiner Frau, seinen fünf Kindern und den dreizehn Enkeln im Kibbuz Tirat Zvi und ist sehr glücklich. Aber die Wurzeln seines Vaters haben ihn nie ganz losgelassen. „Ich bin sehr dankbar für die Arbeit des Zentrums, denn ohne die Aufarbeitung der jüdischen Vergangenheit der Stadt würde diese in Vergessenheit geraten“, erklärt David Sternreich. Auch er kenne noch nicht alle Bilder oder Details über seine Familie, die aus Polen nach Weißenfels übergesiedelt war. Die Recherchen des Weißenfelsers Enrico Kabisch haben viele Lücken mittlerweile füllen können für ihn. „Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn junge Menschen ihr Interesse bekunden und durch Aufklärung und Bildung gegen Rassismus und Antisemitismus vorgehen wollen“, erklärt der 62-jährige Israeli. Seine Frau pflichtet ihm bei: „Das ist ein Weg, Zivilcourage zu zeigen.“ Ihr habe besonders der große Zuspruch durch die Weißenfelser Bürger gefallen, die zur Gedenkfeier und zum Vortrag über das jüdische Leben in Weißenfels im 19. und 20. Jahrhundert gekommen waren.

Dass sich an die Klempnerei Zotstein in der Burgstraße nur wenige erinnern, weiß auch Ofer Marcus, ein Urenkel der Zotsteins aus Israel. Mit seinem Sohn Snir ist er in die Saalestadt gereist, trotz großer Vorbehalte. „Vor der Reise habe ich mir Gedanken gemacht, wegen unserer Sicherheit“, gibt Marcus zu. „Jetzt hier zu sein ist ein gutes Gefühl. Ich habe zum erstem Mal heute ein Bild meiner Großeltern gesehen“, erklärt er. Obwohl er bereits zum zweiten Mal in Weißenfels zu Besuch sei, möchte er sich diesmal das Wohnhaus seiner Familie ansehen und mehr über sie erfahren. „Weißenfels ist heller als vor 18 Jahren und hat uns mit viel Herzlichkeit empfangen“, sagt der 63-Jährige. „Das aktive Erinnern auch durch Bildung ist mir ein sehr wichtiges Anliegen“, so Marcus.

Beeindruckende Geste

„Dass David Sternreich und Ofer Marcus extra nach Weißenfels gekommen sind, um sich mit uns gemeinsam zu erinnern, ist eine beeindruckende Geste beider Männer“, sagt Enrico Kabisch, Vorsitzender des Zentrums. Interesse an der Geschichte und an der aktiven Mitgestaltung seiner Stadt habe bei dem 36-Jährigen bereits in der Jugend bestanden. Seit einer Lesung von Reinhard Schramm, auf dessen Buch „Ich will leben - Die Juden von Weißenfels“ sich Kabischs Vortrag hauptsächlich aufgebaut hat, habe ihn dieses Thema nicht mehr in Ruhe gelassen. „Mich beschäftigten seither Fragen, die ich hier aufarbeiten kann“, so Kabisch. „Wichtige jüdische Männer wie Benjamin Halevi stammen aus unserer Stadt. Das sollten auch die Weißenfelser wissen“, erklärt der 36-Jährige. (mz)