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Rätsel um Sensationsfund Rätsel um Sensationsfund in Weißenfels: Worum handelt es ssich bei dem geheimnisvollen Bauwerk?

Von Holger Zimmer 10.12.2018, 10:00
Der österreichische Archäologe Peter Hiptmair präsentiert am Ende der Grabungen diesen Sensationsfund.
Der österreichische Archäologe Peter Hiptmair präsentiert am Ende der Grabungen diesen Sensationsfund. Peter Lisker

Weißenfels - Der Sensationsfund ist vermessen, dokumentiert und zigfach fotografiert. Hier soll zwischen Weißenfelser Friedrich- und Saalstraße das neue Jobcenter entstehen. Inzwischen bedecken wieder Erde und eine Sandschicht die Entdeckung, als hätte es sie nie gegeben. Der Archäologe Peter Hiptmair sagt: „Wir hatten die obersten Steine freigelegt, haben aber alles erst ganz am Ende der Grabungen untersucht.“ So sei es oft. Das Beste komme zum Schluss.

Was zu Tage trat, war kaum fassbar: Die Reste eines mittelalterlichen Bauwerks aus dem 15. Jahrhundert. Ein Teil entpuppte sich als Becken, dessen Wände mit Lehm wasserundurchlässig gemacht worden waren. Eine Mikwe etwa, ein jüdisches rituelles Reinigungsbecken? Hiptmair schüttelt den Kopf. Doch es wurde noch mehr freigelegt. Eine halbrunde Treppe schien nach oben zu führen oder sollte sich hier ein Brunnen befunden haben, ein Wasserspiel vielleicht? Der 55-jährige Grabungsleiter schließt das aus.

Archäologie in Weißenfels: Auswertung mit Vergleichen

Der Brunnen wäre zu klein gewesen. Auf Nachfrage will er sich nicht zu einer Interpretation hinreißen lassen, als Wissenschaftler nichts in die Welt setzen, was am Ende wie eine Seifenblase platzt. Hiptmair hat noch drei Monate mit der Auswertung der Grabungsergebnisse zu tun, bevor er als archäologischer Nomade zur nächsten Ausgrabungsstätte zieht. Bis dahin aber kann er die Entdeckung mit ähnlichen Funden von Kollegen vergleichen.

Die Archäologie hatte ihn schon in der Schulzeit fasziniert, als er mit den Eltern in Italien und Griechenland wie in einem Zeittunnel in die Vergangenheit reiste. Fast zwangsläufig studierte er in seiner Heimatstadt Salzburg klassische Archäologie. Selbst zu graben ist da natürlich das Salz in der Suppe, Dinge zu sehen, die den meisten verborgen bleiben, weitere Puzzleteile zur Menschheitsgeschichte hinzuzufügen. Mit dem Ende des Studiums hat er sich dann für eine Ausgrabung in Ostdeutschland beworben. Vielleicht auch, weil es im Salzburger Land nur zwei fest angestellte Archäologen gibt.

Archäologie in Weißenfels: Verschiedene Puzzleteile fügen sich zusammen

Seitdem hat er in Dresden einen Schatz mit zehn Goldmünzen entdeckt. Dort und in Leipzig hat er Glockengießereien freigelegt und auch in Chemnitz, Zwickau und Halle geforscht. „Gebaut wird schließlich überall“, sagt der Österreicher. Der Presse steht er dabei gern Rede und Antwort, ist aber vorsichtig genug, um nicht alles auszuplaudern. „Denn die Sondengänger lesen ebenfalls Zeitung“, sagt er und will da nicht der zweite Sieger nach den Raubgräbern sein. Aber auch in Weißenfels, wo er 2002 mit Beschäftigten einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mehr als 60 Gräber aus der Slawenzeit freigelegt hat, sind leider Schädel gestohlen worden.

Für Peter Hiptmair fügen sich durch jetzige Grabung in der Saalestadt verschiedene Puzzleteile zusammen. So hat er direkt an der Saalstraße festgestellt, dass hier die Fundamente der Stadtmauer bis zu 2,50 Meter mächtig waren, aber auch, dass es angesichts von Saalehochwassern öfter zu Zerstörungen gekommen sein muss. Davon dürfte ebenfalls die Nordwestecke der Mauer betroffen gewesen sein, dort, wo das alte Sparkassengebäude steht.

Archäologie: „Ich bin überrascht von Weißenfels“

Für den Archäologen ist klar, dass Steine der Stadtmauer beim Häuserbau verwendet oder die Mauern direkt in den Hausbau einbezogen worden sind. Er spricht von sehr schmalen Parzellen, so dass die Menschen auf engem Raum zusammenlebten. Eine Weißgerberei wurde außerdem gefunden, die über mehrere Generationen existiert hat.

„Ich bin überrascht von Weißenfels“, sagt der Wissenschaftler, der Magister für alte Geschichte, Altertumskunde und klassische Archäologie ist. Und er kann sich ein Urteil erlauben, hat er doch vor zwölf Jahren nach einem Abriss schon an der Ecke Jüden-/ Saalstraße einen Brunnen freigelegt. Doch zurück zur jetzigen Grabungsstätte. Hiptmair sieht zwei Möglichkeiten: Entweder es handelt sich tatsächlich um einen Teil der Stadtbefestigung.

„Oder es hat an dieser Stelle einen Prunkbau gegeben.“ Für möglich hält er das inmitten eines Handwerkerviertels. Und eventuell gibt es ja sogar einen Zusammenhang mit jener Kachel, die den Archäologen im Spätsommer in die Hände fiel. Auf ihr steht „Johann von Leyden - Täufer zu Münster“. Vielleicht hat ein gut betuchter Weißenfelser Bürger vor fast 500 Jahren die Wiedertäufer unterstützt, die es in Deutschland gab. (mz)