Prozess am Landgericht Halle Prozess am Landgericht Halle: Vorarbeiter entkommt knapp dem Tod

HALLE (Saale)/MZ - Der 31-jährige Vorarbeiter einer polnischen Firma, die über Werkverträge seit Jahren im Tönnies-Fleischwerk in der Zerlegung arbeitet, hat Glück gehabt. Dank schneller Hilfe und einer Not-OP hat er überlebt, nachdem ihm am 29. Mai 2013 ein 22 Zentimeter langes Zerlegemesser in die linke Thoraxflanke gestoßen wurde. Seit Mittwoch muss sich einer seiner Landsleute vor dem Landgericht in Halle dafür verantworten. Diesem werden versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Dafür droht laut Pressemitteilung eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren und neun Monaten.
Beleidigungen waren an der Tagesordnung
Der Angeklagte hat eingeräumt, das Messer geführt, allerdings nicht zugestoßen zu haben. Nach seiner Darstellung ist das Opfer auf ihn zugelaufen. Und rumgefuchtelt wurde mit den Messern, die Arbeitsmittel für die etwa 20 in der Schicht an dem Band beschäftigten polnischen Arbeiter waren, oft. Vor allem dann, wenn es um Kritik ging. Weniger darum, ob diese gerechtfertigt war oder nicht, mehr, weil diese nach Darstellung des Angeklagten mit Beleidigungen verbunden war. Schimpfworte hätten viele getroffen, doch für ihn, der im Vergleich zu seinen Mitstreitern eher klein und schmächtig ist, habe der Vorarbeiter nicht nur zu den härtesten polnischen Schimpfworten gegriffen, sondern ihn auch geschubst, geschlagen, auf einen kleinen Tisch gedrückt, Folie um seinen Kopf gelegt, Gegenstände geworfen.
Das alles hatte das Schöffengericht vor allem mit Hilfe der beiden Verteidiger des Angeklagten herausgearbeitet, bevor es zum Geschehen am Tattag kam. Erst einmal kam der Geschädigte zum Tathergang zu Wort. In einer der nächsten Verhandlungen soll der Angeklagte die Details dieser Ereignisse darstellen. Die Strategie der Verteidigung zeigte in den Gästereihen schon Erfolg, in denen junge Menschen eines Bildungsträger saßen. Sie äußerten: „Wer ist hier Täter, wer Opfer?“
Videos sollen Mobbing beweisen
Beide Seiten verwiesen auf Zeugen und Beweismittel, die es in Form von Videoaufzeichnungen am Band geben soll. Die Zeugen sollen im Interesse des 48-jährigen Angeklagten bestätigen, wie der Vorarbeiter immer wieder Menschen schikaniert habe und ganz besonders jenen Arbeiter, der wegen seiner finanziellen Verhältnisse auf die Arbeitsstelle bei der Werkvertragsfirma angewiesen war. Auf Drängen seiner Freundin, mit der er in Polen ein sechsjähriges Kind hat, habe er nicht hingeschmissen, obwohl es immer unerträglicher geworden sei. Beschwerden hatten stets nur kurzzeitige Entlastung zu Folge gehabt.
Für den Vorabeiter sollen die Videos bestätigen, wie exakt es doch am Band zugegangen sei. „Ich muss kritisieren, wenn die Schnitte nicht sauber geführt wurden“, sagte er, sonst würden die Teile von den Kunden nicht abgenommen. „Wir stehen unter Druck und diesen gebe ich weiter.“ Nach dem Vorfall sei die Aufgabe am Band tatsächlich an einen anderen Werkvertragspartner übertragen worden. Er und seine Mitarbeiter ständen jetzt an einem anderen Band.