1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Notfallbegleiter in Weißenfels: Notfallbegleiter in Weißenfels: Niemals Routine im Ehrenamt

Notfallbegleiter in Weißenfels Notfallbegleiter in Weißenfels: Niemals Routine im Ehrenamt

Von Carmen Busch 10.04.2016, 11:00
Kerstin Baldauf und Regine Janovsky (von links) engagieren sich mit Herzblut in der Notfallbegleitung und sind gute Freundinnen geworden.
Kerstin Baldauf und Regine Janovsky (von links) engagieren sich mit Herzblut in der Notfallbegleitung und sind gute Freundinnen geworden. Michael Thomé

Weißenfels - Es war ein Sonntag im Februar 2014, als das Telefon klingelte und Kerstin Baldauf schlagartig bewusst wurde, dass sie jetzt zu ihrem ersten Einsatz als Notfallbegleiterin fahren wird. Knapp zwei Jahre ist das nun her und noch immer engagiert sich die Lehrerin gemeinsam mit Kollegin Regine Janovsky im Team der Weißenfelser Notfallbegleiter des Deutschen Roten Kreuzes.

An einem Tag, an dem sie Bereitschaft haben, leben die beiden Frauen ganz anders. „Am Anfang habe ich mich gar nicht aus der Wohnung getraut. Es hätte ja ein Anruf kommen können“, erinnert sich Regine Janovsky. Mittlerweile traue sie sich aber schon aus dem Haus, gehe auch einkaufen und versuche, sich einen ganz normalen Tag zu gestalten. Aber im Hinterkopf haben die beiden Frauen die Bereitschaft immer. Da Kerstin Baldauf hauptsächlich Nachtdienste übernimmt bei der Notfallbegleitung, achtet sie auf ganz verschiedene Dinge. Auf Knoblauch oder Wein zum Abendessen verzichte die 49-Jährige ebenso, wie auf Feiern oder größere Ausflüge.

„Man muss bereit sein“

„Routine gibt es nie“, sagt Kerstin Baldauf ernst. Jeder Fall sei anders und vorbereiten könne man sich nie. „Man muss bereit sein“, fügt die Grundschullehrerin hinzu. Auch die darauffolgenden Einsätzen sind nicht vergleichbar gewesen. „Auch die ungeheure Aufregung geht niemals vorbei“, ergänzt Regine Janovsky. Auch sie erinnert sich gut an ihren ersten Dienst. Wie in einem Film laufe die Situation im Kopf ab. „Man wird aus dem eigenem Leben genommen und ist plötzlich in einer ganz anderen Rolle tätig“, sagt die Förderschulpädagogin. Da sie meistens bei der Überbringung von Todesnachrichten dabei sind, verlassen sie sich beide auf ihr Bauchgefühl, wie lange sie bei den Trauernden bleiben.

„Die Polizei geht, wir nicht. Die meisten sind mit der Situation überfordert. Manche weinen, andere zeigen dir alte Fotos, andere wiederum bieten dir eine Tasse Kaffee und Kuchen an“, berichtet Baldauf. Trauer zeige sich grundsätzlich unterschiedlich. Für Baldauf ist es eine stete Gratwanderung, nur so viel Mitgefühl zuzulassen wie nötig. Das Thema Tod aber wegzuschieben, nutze laut Regine Janovsky nichts. Sie habe die ehrenamtliche Aufgabe gewählt, weil sie aus der eigenen Familiengeschichte gelernt habe, wie wichtig es ist, in bestimmten Situationen nicht alleine zu sein. „Denn wir sind für die Alleingelassenen da. Jene brauchen unsere Unterstützung in der ersten Trauer oder um sich von dem Verstorbenen zu verabschieden“, erzählt die Weißenfelserin offen.

Spagat zwischen Beruf und Ehrenamt

Beiden Frauen gelingt der Spagat zwischen ihrem Beruf und ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit aber nur so gut, weil ihre Familien hinter ihnen stehen. „Das Wichtige ist, dass dein Amt von der Familie unterstützt und akzeptiert wird“, berichtet Janovsky. Wenn der Redebedarf bei ihr nach einem Einsatz sehr groß sein sollte, melde sie sich bei ihrer Freundin Kerstin. Nach fast jedem Einsatz fühlen sie sich am Ende ihrer Kräfte. „Während ich bei einem Fall bin, bin ich gefühlt mit 250 Prozent dabei. Alle meine Sinne sind hoch konzentriert und das raubt dem Körper Kraft“, erzählt die Lehrerin, die diese Erschöpfung nur kurz zulässt.

Um die persönliche Distanz zubehalten, hilft es den beiden Frauen, direkt wieder in den eigenen Alltag mit der Familie und der Arbeit überzugehen. Mit der Zeit haben sie es gelernt, die Dinge gelassener anzugehen. „Ich bin viel dankbarer geworden und nehme die Dinge der Welt entspannter auf“, resümiert die Spergauerin. Ihre Freundin Regine sieht dies ähnlich. „Man lernt, das Leben anzunehmen und die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Ich weiß, wie schnell das Leben sich verändern kann“, räumt die 47-Jährige ein. Jeder aus ihrem Team bekomme etwas zurück und das entlohne sie für diese Zeit. „Das gute Gefühl, jemanden nicht allein in seiner Not gelassen zu haben, gibt einem den Antrieb, weiter zu machen“, bemerken beide Notfallbegleiterinnen. Einen anderen Lohn erwarten sie gar nicht. (mz)