Jubiläum in Langendorf Jubiläum in Langendorf: Ortschronist Kunze ist 90 Jahre alt geworden

Langendorf/MZ - Der Bürgermeister hatte zur Gratulation nicht nur Blumen, sondern gleich noch eine neue „sportliche Aufgabe“ mitgebracht. Über den Weißenfelser Flugpionier Oskar Ursinus dürfte es noch einiges zu erkunden geben, dachte er sich. „Schau dir das mal in Ruhe an, dann reden wir drüber“, meinte Horst Ziegler und überreichte Gerhard Kunze ein paar lose Blätter und eine kleine Broschüre.
Wenn es sich lohnt und die Kraft reicht, dann wird sich der Langendorfer auch in dieses Stück Heimatgeschichte vertiefen, wird Material sichten, neue Erkenntnisse gewinnen, Zusammenhänge herstellen. So wie es Ortschronist Gerhard Kunze, der vor kurzem 90 Jahre alt geworden ist, schon seit vielen Jahrzehnten macht.
„In Naturkunde hat er mir eine Zwei gegeben“
Dabei ist er selbst ein lebendiges Kapitel Langendorfer Geschichte. Die Gratulanten zum Jubiläum hatte er in jenem Haus in der Karl-Marx-Straße empfangen, in dem er vor neun Jahrzehnten geboren wurde. „Bis auf ein Jahr Studium, drei Jahre Krieg und zwei Jahre Gefangenschaft habe ich immer in diesem Haus gelebt“, erzählte der 90-Jährige, der seit 66 Jahren mit seiner Frau Dora verheiratet ist und zwei Söhne hat. Früher war es die Dorfstraße.
Im Volksmund Bäckergasse genannt, weil die Eltern unten eine Bäckerei geführt haben. Eintauchen in vergangene Zeiten, in die Geschichte von Rittergütern und Kirchen, das hat schon den Schüler fasziniert. „Ich habe frühzeitig alles Mögliche gesammelt, ohne zu wissen, dass ich irgendwann mal eine Chronik schreiben werde“, erzählte Kunze. In die Schule ging er damals nach Muttlau. Stolz berichtete er davon, dass der spätere Begründer des Weißenfelser Heimatnaturgartens, Werner Klebb, einer seiner Lehrer war. „In Naturkunde hat er mir eine Zwei gegeben“, weiß der Senior noch.
Jahrzehntelang sollte Kunze später selbst als Lehrer vor den Schulbänken stehen. Gelernt hatte er zunächst das Bäckerhandwerk, sollte mal den Betrieb des Vaters übernehmen. Doch schließlich verlief der Lebensweg anders. Nachdem er nach der Gefangenschaft eine Zeit lang als Bäcker gearbeitet hat, begann der junge Kunze eine Lehrerausbildung, arbeitete später vier Jahre an der Schule in Großkorbetha, promovierte 1973 und arbeitete schließlich 36 Jahre lang am Weißenfelser Institut für Lehrerbildung.
Bildband „Daheim in Langendorf“ herausgegeben
Die Geschichte seines Heimatortes hat ihn all die Jahre nicht losgelassen. 1980, zur 750-Jahrfeier des Ortes, waren seine heimatgeschichtlichen Forschungen Gold wert. „Wir brauchen keinen Computer. Gerhard Kunze ist unsere wandelnde Datenbank“, so heute Walter Wolter, stellvertretender Langendorfer Bürgermeister, voller Anerkennung über den Ortschronisten. Landrat Harri Reiche, der sich die persönliche Gratulation zum Jubiläum nicht nehmen ließ, meinte: „Nicht jeder Ort im Landkreis kann sich glücklich schätzen einen solchen Chronisten zu haben“.
Und Kunze steckt noch voller Pläne. Dabei hat er im Auftrag der Ortschaft erst Ende letzten Jahres einen Bildband mit 500 Fotos unter dem Titel „Daheim in Langendorf“ herausgegeben. Zwei Jahre zuvor war nach elfjähriger Recherche die „Chronik der Dörfer im Greißlautal“ erschienen (siehe Beitrag „Dicke Ortschronik“). Nun wird der Ortschronist nicht nur vielleicht auf den Spuren des Flugpioniers Ursinus wandeln. „Ich schreibe gerade Erinnerungen auf an die Dorfstraße in den 20er und 30er Jahren“, erzählte der nimmermüde Senior, dessen Leben vor gut 90 Jahren in eben dieser Straße begann.