1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Flüssiggasvertrieb Oehmichen in Großkorbetha: Flüssiggasvertrieb Oehmichen in Großkorbetha: Wieso die Firma Langzeitarbeitslosen eine Chance gibt

Flüssiggasvertrieb Oehmichen in Großkorbetha Flüssiggasvertrieb Oehmichen in Großkorbetha: Wieso die Firma Langzeitarbeitslosen eine Chance gibt

Von Klaus-Dieter Kunick 04.01.2016, 08:27
Ronny Rausche (rechts) hat nach drei Jahren wieder einen festen Job. Firmenchef Jörg Oehmichen ist ebenfalls zufrieden.
Ronny Rausche (rechts) hat nach drei Jahren wieder einen festen Job. Firmenchef Jörg Oehmichen ist ebenfalls zufrieden. Peter Lisker Lizenz

Großkorbetha - Ronny Rausche kann es noch gar nicht fassen - endlich, nach drei Jahren Arbeitslosigkeit hat er wieder einen festen Job. „Es kommt mir vor wie ein zusätzliches Weihnachtsfest, ich freue mich riesig“, sprudelt es aus dem 30-Jährigen heraus, der seit 1. November bei der Firma Flüssiggasvertrieb Oehmichen in Großkorbetha in Lohn und Brot steht. Möglich macht das unter anderem die finanzielle Unterstützung mit europäischen Mitteln. Für den alleinerziehenden Vater ist das egal - Hauptsache wieder Arbeit.

„Mein Handicap bestand darin, Arbeitszeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen“, erzählt er. Arbeit hätte er längst gefunden. „Aber in welchem Betrieb kann ich denn um 7 Uhr anfangen und um 16 Uhr aufhören?“, ergänzt der gelernte Lagerist aus Lützen. Das Leben mache wieder Spaß, die berufliche Welt ist in Ordnung - nun könne er ruhigen Gewissens mit Sohnemann Ron zum Fußballspiel gehen, der Lieblingsbeschäftigung der zwei „Männer“.

Wie in einer Ehe

Und auch Betriebsinhaber Jörg Oehmichen zeigt sich zufrieden: „Ich bin mit dem, was Ronny bei uns als Abfüller macht, absolut zufrieden.“ Er sei zuverlässig, willig und bemühe sich, alles schnell umzusetzen. Das sei wichtig, denn schließlich müsse bei der Arbeit die Gefahrenverordnung eingehalten werden. Jörg Oehmichen spricht klare Worte - er will den jungen Mann nicht bloß vorübergehend einstellen, sondern langfristig binden. Es sei schwierig, an gute Leute heranzukommen, das sei hinreichend bekannt. „Wir hätten Ronny auch ohne die Förderung genommen“, sagt er. Das Ganze sei wie in einer Ehe - es müsse eben auf beiden Seiten passen.

Das Jobcenter Burgenlandkreis betreut gegenwärtig 6 805 arbeitslose Personen, von denen 44,2 Prozent ein Jahr und länger arbeitslos sind. „Die Erfahrung zeigt, je länger man ohne Job ist, umso schwieriger wird es, wieder ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu finden“, sagt Betriebsleiter Herwig Fischer.

Damit auch Langzeitarbeitslose eine Chance zur Wiedereingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein neues Programm ins Leben gerufen, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird. „Wir wollen in den nächsten zwei Jahren über das Programm ,ProJob im Burgenlandkreis’ 120 Arbeitsplätze besetzen“, sagt Fischer.

Die Zielgruppe umfasst Personen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind und die in der Regel das 35. Lebensjahr vollendet haben. Die Teilnahme ist freiwillig. In den ersten sechs Monaten bekommen die Arbeitgeber einen Lohnkostenzuschuss von 75 Prozent, der dann stufenweise nach 18 Monaten auf Null zurückgefahren wird. (kdk)

Neben Ronny Rausche hat der Großkorbethaer Unternehmer aber gleich noch einen Mann eingestellt, und zwar als Kraftfahrer: Michael Ebert, der ebenfalls mit seinem Sohn Marvin alleinerziehender Vater und seit November 2012 arbeitslos ist. Der 44-Jährige schildert ähnliche Erfahrungen wie Ronny Rausche. Sobald Arbeitgeber hören, dass man niemanden für die Kinder habe, würden sie abwinken. Wer da keine Unterstützung von Eltern oder Großeltern habe, habe keine Chance, im Beruf Fuß zu fassen. „Ich habe bei Ronny und bei Michael ein gutes Gefühl, dass das gut mit ihnen läuft“, erklärt Jörg Oehmichen, der einen weiteren Kraftfahrer sucht. „Wir sind im Wachstum begriffen“, erklärt der Firmenchef, dem 25 Mitarbeiter in den Bereich Spedition, Flüssiggasbetrieb und Service zur Seite stehen.

„Sie verdienen eine Chance.“

Aber ihm sei noch etwas wichtig: Er habe mit dem Jobcenter Burgenlandkreis einen guten Partner gefunden. Es sei ihm klar, dass diese Einrichtung nicht den besten Ruf habe. „Es gibt dort viele Langzeitarbeitslose, die in Arbeit kommen wollen. Wir haben die besten Erfahrungen gemacht“, sagt Jörg Oehmichen. Dass gerade bei diesem Klientel oftmals berufliche oder private Hemmnisse vorzufinden seien, sei verständlich. Aber, so Jörg Oehmichen: „Sie verdienen eine Chance.“

Axel Naumann kann das bestätigen: „Bisher haben wir über das Programm ,Projob’, das kürzlich angelaufen ist, 21 Langzeitarbeitslose vermitteln können“, sagt der Betriebsakquisiteur im Jobcenter. „Bei Arbeitslosen, die seit fünf Jahren nicht mehr gearbeitet haben und die die Voraussetzungen erfüllen, ist eine Intensivförderung möglich“, ergänzt Herwig Fischer. Um die Nachhaltigkeit der Beschäftigung zu unterstützen, stehen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber Coaches zur Seite, erklärt der Betriebsleiter des Jobcenters Burgenlandkreis. „Um noch mehr Unternehmen ins Boot zu holen, bitte ich die Arbeitgeber, die Arbeitskräfte suchen, sich mit dem Jobcenter in Verbindung zu setzen.“ (mz)

Kontakt zum Jobcenter unter der Telefonnummer 0174/152 63 36 oder unter [email protected]