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Erst Held, dann Häme Erst Held, dann Häme: Was ist aus Lenins Büste in Weißenfels geworden?

Von Alexander Kempf 10.11.2019, 07:00
Nach der Wende war Lenin in Weißenfels nicht länger unantastbar.
Nach der Wende war Lenin in Weißenfels nicht länger unantastbar. Stadtmuseum Weißenfels

Weißenfels - Die Lenin-Büste, die einst an der heutigen Leopold-Kell-Straße stand - sie befindet sich noch immer in der Saalestadt. Sie lagert in den Archiven des Weißenfelser Stadtmuseums, bestätigt Leiter Aiko Wulff. Dort fristet sie ein Schattendasein, so gut versteckt, dass sie am Freitag auf die Schnelle für eine Begutachtung nicht zu finden ist. Der russische Revolutionsführer, für den zu Ostzeiten zahlreiche Denkmäler aufgestellt wurden, er ist schon vor längerer Zeit in Ungnade gefallen.

In Weißenfels verschwand die Büste aus der Öffentlichkeit, nachdem sie geschändet worden war. Eine Fotoaufnahme des Stadtmuseums zeigt, wie über Lenins Kopf einst weiße Farbe ausgeschüttet worden ist. Die PDS, Nachfolgepartei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland, soll das Denkmal Anfang der Neunziger gesäubert lassen haben und unterstütze den Umzug ins Museum.

Die Reinigung kann der Museumsleiter nachvollziehen. „Das war Sachbeschädigung. Insofern verstehe ich, dass sie die Büste wieder reinigen ließen“, sagt er. Für ihn wäre es heute aber auch wertvoll, den befleckten Lenin im Archiv zu wissen. Als Zeitdokument nämlich, in das sich Geschichte eingeschrieben hat und das zeigt, wie mit alten Helden gebrochen wurde. „Da haben sich Leute plötzlich Luft gemacht“, sagt Wulff.

Das Weißenfelser Museum verfügt über mehrere Lenin-Büsten. Spannend sind sie für Stadthistoriker vor allen Dingen, wenn sie einen Bezug zu Weißenfels haben. Den hat die erst geschändete und dann gereinigte Lenin-Büste in jedem Fall. Vor ihrer Versenkung stand sie an der Leninstraße auf dem Leninplatz. Letzterer ist heute der Hirsemannplatz, die Leninstraße heißt seit der Wende wieder Leopold-Kell-Straße.

Trotz aller Kritik an Lenin gibt es seit der Eingemeindung Boraus nach Weißenfels im Jahr 1995 aber wieder eine Leninstraße in der Saalestadt. Dass diese die politische Wende genauso überdauert hat wie die Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, dürfte vornehmlich dem Pragmatismus der Borauer geschuldet sein. Denn eine Umbenennung wäre für die Anwohner mit Kosten verbunden gewesen.

Polarisiert hat Lenin in Weißenfels offenbar schon vor der Wende - und zwar nicht nur bei den Einheimischen. So berichtet das Steinmetz-Ehepaar Krippendorf aus Langendorf von einem Vorfall 1975 auf dem Gelände der damaligen Russenkaserne. Auch dort stand ein großes Lenin-Denkmal. Im besagten Jahr hatte dem jemand einen Bart angepinselt. Ein Scherz? Eine Mutprobe? Oder Protest? Näheres zu den Umständen wissen die Steinmetze nicht. Ihre Aufgabe war es damals lediglich, das Denkmal wieder auf Vordermann zu bringen.

Apropos Nachbesserungen, wie Historiker Ingo Bach berichtet, musste schon kurz nach dem Aufstellen der Lenin-Büste am heutigen Hirsemannplatz noch einmal etwas verändert werden. Errichtet wurde die Lenin-Büste von Kurt Schulze 1970, also hundert Jahre nach Lenins Geburt. Dessen Geburtsdatum war auf dem Denkmalsockel denn auch richtig angegeben. Beim Todesjahr aber hatte man sich vertan. Dort stand die Jahreszahl 1970 und nicht wie historisch korrekt 1924. Ein „Lapsus“, so Ingo Bach, der bald korrigiert wurde. (mz)