Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Tränen und Trauer bei Neu-Weißenfelsern
WEISSENFELS/MZ. - Niedergeschlagen sind viele Menschen aus den seit gestern nach Weißenfels eingemeindeten Orten. Wengelsdorf, Großkorbetha, Schkortleben, Burgwerben, Storkau, Reichardtswerben, Tagewerben und Leißling sind nur noch Ortsteile der Saalestadt und bescheren ihr rund 8 500 neue Bürger. Die MZ machte sich auf den Weg über die Dörfer und fragte Frauen und Männer in den neuen Ortsteilen nach ihrer Sicht auf den Zusammenschluss.
Martha Pöpper stehen die Tränen in den Augen. Die 79-Jährige ist verzweifelt. "Ich bin alt. Ich schaff das doch nicht mehr bis nach Weißenfels", sagt die Großkorbethaerin und die Stimme zittert.
Dirk Peege aus Großkorbetha entfernte gestern die Verwaltungsamtslogos von den zwei Amtsautos. Der Kfz-Mechaniker hatte bislang nicht nur den Pflege- und Wartungsvertrag über die beiden Pkw, sondern ist auch für die Fahrzeuge der Feuerwehr verantwortlich. "Wie das nun weitergehen soll, weiß ich auch nicht", sagt der Mechaniker. Er betrachtet die Zusammenlegung kritisch. Es sei nun keine Bürgernähe mehr vorhanden, befürchtet der 45-Jährige. Zurzeit ist Dirk Peege noch Gemeinderatsmitglied. Er überlegt aber ernsthaft, das Amt niederzulegen. "Ich sehe da keinen Sinn mehr drin", sagt er resigniert.
In Wengelsdorf ist die Stimmung ähnlich. "Die wollen uns doch nur abkassieren", sagt Heinz Trautmann. Er bemängelt die sinkende Infrastruktur auf den Dörfern. "Früher gab es hier einen Bäcker, einen Konsum und sogar eine Schmiede", erinnert er sich an die Zeit, als er 1954 nach Wengelsdorf kam. Nichts davon sei mehr da. Und nun sei auch noch die Verwaltung aufgelöst.
"Wegen jedem Kram müssen wir jetzt nach Weißenfels", schimpft Wolfgang Schafft aus Wengelsdorf. "Die schmeißen die Wurst hinter dem Schinken her", sagt er und meint damit die angebliche finanzielle Einsparung in der Verwaltung. Seiner Meinung nach ist das Augenwischerei. Er hätte sich gewünscht, dass Wengelsdorf nach Leuna zugeordnet worden wäre.
Volkmar Starke in Schkortleben sieht alles etwas ruhiger. Klar gebe es wieder nur Rennereien. "Ich sehe das aber erst einmal gelassen", so der Mann. Eigentlich müsse man doch nur in das Weißenfelser Amt, wenn es um Personalausweise oder Zulassungen gehe.
Gunter Former nimmt kein Blatt vor den Mund. "Ich finde, das ist großer Mist." Bislang konnten die Probleme vor Ort gelöst werden. Da habe es Ansprechpartner gegeben. Von nun an fehle die lokale Verbindung zwischen der Verwaltung und den Kommunen. "Wir werden ab jetzt in Weißenfels auf dem Amt eine Nummer ziehen und auch eine sein", sagt der 45-Jährige.
Für Sylke Klatte und Karmen Thunich ist es nicht nur der erste Tag der Eingemeindung, sondern auch als Ein-Euro-Jobberinnen. Während sie an den Burgwerbener Straßenrändern die Beete säubern, unterhalten sich die beiden Frauen über das Thema. "Bescheiden ist diese ganze Entwicklung hier in den Orten", beschreibt Sylke Katte, wie sie sich fühlt. Karmen Thunich nickt bestätigend. "Wir haben ab jetzt doch gar keine Rechte mehr", sagt Karmen Thunich. Nun fehle es nur noch, dass die Grundsteuern steigen. Außerdem fehle der Bürgermeister, der vorher immer Ansprechpartner gewesen sei.
Rolf Müller aus Tagewerben hat dagegen eine ähnliche Meinung wie Volkmar Starke. "Ob es besser oder schlechter ist, werden wir erst noch sehen", sagt der Kfz-Mechaniker. Gott sei Dank sei in Tagewerben in den vergangenen Jahren überwiegend alles saniert worden. "Eine Straßennamenänderung habe ich ebenfalls nicht zu befürchten. Den Markwerbener Weg gibt es nur einmal", so der Mann.
Kai Dabbert schließt sich der Meinung von Rolf Müller an. "Das Für und Wider wird sich erst noch zeigen." Der Reichardtswerbener führt ein Betonbearbeitungsunternehmen. Beruflich werde sich nichts ändern, lautet Kai Dabberts Prognose. Allerdings sieht er andere Nachteile auf die Bürger der eingemeindeten Orte zukommen. Im Amt in Großkorbetha sei alles sehr unkompliziert gewesen. Es sei schnelle Arbeit geleistet worden. Er müsse sich wahrscheinlich in Weißenfels auf längere Warte- und Bearbeitungszeiten einrichten, befürchtet er.
Thema ist die Zuordnung nach Weißenfels auch im Frisörsalon von Reinhild Hudak in Storkau. "Mich macht das traurig", sagt sie. "Wir haben hier jetzt nichts mehr zu erwarten. Ich hätte mir gewünscht, weiter in Storkau zu wohnen und nicht in einem Weißenfelser Ortsteil."
In Leißling wohnt Ingrid Günther und auch sie ist über die Entwicklung traurig. "Wir haben damals noch Unterschriften gesammelt aber es hat ja nichts genutzt", sagt sie. "Ich fühle mich entmündigt."