1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Burgenlandkreis: Burgenlandkreis: «Da fliegt auch mal ne Faust»

Burgenlandkreis Burgenlandkreis: «Da fliegt auch mal ne Faust»

Von PETRA WOZNY 30.06.2011, 17:30

HOHENMÖLSEN/MZ. - "Die Frusttoleranz ist gering. Es hagelt Schimpfworte. Ich habe es auch schon erlebt, dass da mal gegenüber Erwachsenen eine Faust fliegt. Der Anteil, Konflikte über Gewalt zu regeln, ist gestiegen", ist die Einschätzung von Dennis Storch. Der 35-jährige Psychologe ist seit einem halben Jahr Sozialarbeiter in der Sekundarschule Hohenmölsen - und hat jede Menge zu tun. In seiner Arbeit gehe es um sexuelle Belästigung, Alkohol, Schlägereien, Drogen, Nichtstun.

Ursachen sind hausgemacht

Und doch schränkt Storch ein: "Die den Schulalltag stören, sind wenige." Die Sekundarschule sei im Burgenlandkreis kein Problemfall, betont er. Die Ursachen, seien hausgemacht und würden in der Gesellschaft liegen. Mitunter sei es schwerer, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen als mit den auffälligen Kindern und Jugendlichen. "Da spüren wir nicht selten Ignoranz und eine Mauer", schildert er seine Erfahrung. Die Erziehung erfolge wenig werteorientiert. "Wie kann es sonst passieren, dass es Kinder und Jugendliche nicht stört, wenn ihre schlechten Leistungen mit einer Sechs benotet werden? Oder, dass es schon fast als chic gilt, Hartz IV zu bekommen?" "Überraschung, Sie haben soeben Hartz IV empfangen", lautet beispielsweise eine SMS, die unter Zehnjährigen mit Gelächter verschickt werde. Auch Storch hat sie auf sein Handy bekommen. Aus Erzählungen der älteren Schüler weiß er, dass manche den Erhalt von Hartz IV gegenüber ihrem schmalen Taschengeld sogar als finanziellen Aufstieg betrachten. Storchs Aufgabe an der Schule ist es, Jugendliche an die Gemeinschaft heranzuführen, zu integrieren und zu sensibilisieren. Unterm Strich: Schulerfolg soll gesichert werden.

330 Mädchen und Jungen besuchen die Sekundarschule. "Es ist eine Handvoll, von der hier die Rede ist, aber die macht Schülern als auch Lehrern das Leben und den Unterricht schwer", ergänzt Schulleiter Frank Keck. Zum Beispiel ein Trio an Jungs im vergangenen Jahr. Die hätten den Unterricht zur Farce werden lassen."Die Lehrer haben wirklich viel probiert, nichts fruchtete", erinnert sich der Schulleiter. Die drei wurden für eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen. Täglich hatten sie sich die Aufgaben abzuholen, mussten auch Klassenarbeiten - isoliert von ihrem Klassenverband - schreiben. "Wir wollten herausfinden, wer das Klima vergiftet", so Keck zu dieser relativ selten ausgesprochenen Strafe. Der Effekt: Zwei Schüler wechselten in eine Bildungseinrichtung nach Weißenfels; und die Klasse selbst spürte: "Die tun ja was" und es werden Grenzen gesetzt. Das Klima habe sich deutlich verbessert. Jetzt sei Unterricht wieder möglich.

Getan wird noch mehr an der Sekundarschule, wie Sozialarbeiter Storch erzählt, der über das Christliche Jugenddorf Weißenfels beschäftigt wird. Die Fünftklässler absolvieren mit ihm ein Sozialtraining, erfahren Hintergründe des Mobbings oder des Entstehens von Gerüchten. Bei Bedarf finden Vier-Augen-Gespräche statt. Zudem setzt der Hohenmölsener auf Freude und Teamgeist.

Schule kann Spaß machen

"Da kann sich keiner hervortun und den Max spielen. Jeder ist auf den anderen angewiesen. Schule ist schön und macht Spaß." Dieser Leitsatz werde beim Volleyballspiel ebenso rübergebracht wie in der neu gegründeten Band "Halbsowild" und dem Schulprojekt Pausenversorgung. Letzteres ist eine kleine Schülerfirma, in der der Verkauf ebenso stimmen muss wie am Ende die Kasse. Rechnen und reden miteinander - darauf komme es an, sagt Storch. Im nächsten Schuljahr soll eine Arbeitsgemeinschaft Selbstverteidigung gegründet werden. Aggressionen sollen dort kanalisiert werden, Freundschaften möglicherweise entstehen. Storch hofft auf Zulauf. Erfolge der Sozialarbeit seien nicht in Masse zu spüren oder sofort messbar. "Ich baue auf Nachhaltigkeit der sozialen Arbeit", meint Storch. Schulleiter Keck hofft das auch.