Bauern kämpfen an vielen Fronten um ihre Existenz
NEBRA/REICHARDTSWERBEN/MZ. - Seit zwei Jahren ist die Agrargenossenschaft Nebra nicht mehr Mitglied im Bauernverband. Den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) sieht er aber auch nicht als deren Interessenvertretung, sagt Carsten Fischer, Chef des Unternehmens. Ihn störte, dass die beiden Kreisbauernverbände im Landkreis zu viel mit sich selbst beschäftigt waren und schließlich ihre Fusion doch nicht gelang. Und der BDM schade mit seinen Milchaktionen dem Ansehen der Bauernschaft, sagt er. Da nimmt er die Angelegenheiten der Genossenschaft lieber selbst in die Hand.
Zum Beispiel auch die zur Preispolitik der Bodenverwertungsgesellschaft (BVVG). 60 Hektar Fläche für den Bau der ICE-Trasse und noch einmal 110 Hektar für Ersatzpflanzungen wurden seiner Genossenschaft für 60 bis 70 Cent pro Quadratmeter zwangsweise abgenommen. Sie kann den Verlust jetzt nicht durch Zukauf von Flächen ausgleichen, verlangt die BVVG doch 1,50 Euro pro Quadratmeter und verkauft meistbietend. Und Ackerland ist rar geworden. Fischer erwartet Gerechtigkeit, zum Beispiel indem über Flächenneuordnung auch BVVG- und Kirchenland für Baustellen wie die ICE-Strecke herangezogen wird. Das fordert er von der Regierung.
"Wir fressen jetzt den Speck der letzten Jahre auf", beschreibt er die jetzige Situation der Nebraer Genossenschaft. Daran sind vor allem die 420 Milchkühe und ihre Nachzucht schuld. Denn trotz bester Milchergebnisse kosten die mehr als sie einbringen. Erst ein Milchpreis von 35 Cent schaffe wieder Entlastung. Dafür müssten Bauern und Molkereien gemeinsam den Handel unter Druck setzen. "Der heimst sich die Gewinne auf unsere Kosten ein", sagt Fischer. Ansonsten hofft er auf bessere Preise über den Markt, wenn wieder weniger Milch geliefert wird. "Ob das angesichts der Globalisierung gelingt?", er lässt die Antwort offen.
Die Erträge von 2 000 Hektar Feldern gleichen die Milchgeldverluste in diesem Jahr nicht aus. Beim Getreide mit dem Hauptprodukt Weizen ist im Nebraer Gebiet wegen der Frühjahrstrockenheit 20 Prozent der Ernte ausgefallen. Zum Glück habe die Agrargenossenschaft die gute Qualität noch zu guten Preisen verkaufen können. Einiges stehe jetzt zum Verkauf, doch die Preise seien im Keller. Da wagt sich Fischer keine Prognose, sagt nur, er und seine 26 Mitarbeiter seien Optimisten.
Das Milchproblem hat die Agrargenossenschaft Burgwerben nicht. Aber über Flächenverluste ärgert sich deren Leiter Steffen Bergner auch. 35 Hektar können demnächst nicht mehr bestellt werden, weil das Gewerbegebiet Tagewerben / Reichardtswerben erweitert und eine Umgehungsstraße gebaut wird. "Das schmerzt die Landwirtschaft immer, wir haben hier gute Böden", sagt Bergner. 3 350 Hektar bewirtschaftet die Genossenschaft noch, hat dafür 21 Mitarbeiter in Lohn und Brot. Er sieht sich im Kreisbauernverband Hohenmölsen-Weißenfels-Zeitz mit seinen Problemen nicht allein. Nicht alle seien aber dort zu lösen.
Mit Menge und Qualität der Ernte zeigt er sich in diesem Jahr zufrieden. Da habe es nirgends Einbrüche gegeben. Trotzdem kommt aus seinem Munde: "Wir müssen jetzt ein tiefes Tal durchschreiten." Es sehe schlecht aus angesichts von Preisen, die nur die Hälfte der Ernteerlöse des Vorjahres einbringen. Die hohen Betriebsmittelkosten des ersten halben Jahres belasten. Und ob sich die 15 000 Tonnen Lagerbestände bis zum Frühjahr noch gut verkaufen lassen, wisse er nicht. "Im Moment läuft gar nichts auf dem Markt", sagt Bergner. Nach der Maisernte stehen nun die letzten Erntearbeiten bei den Zuckerrüben an, auf anderen Feldern wird schon gesät.