1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Aufstocker im Burgenlandkreis: Altersarmut: Rentner aus Weißenfels lebt von 600 Euro Rente

Aufstocker im Burgenlandkreis Altersarmut: Rentner aus Weißenfels lebt von 600 Euro Rente

Von Klaus-Dieter Kunick 08.01.2017, 08:45
Rainer Wanzke vor seinem Zuhause in Weißenfels. In den Händen hält er seinen Rentenbescheid.
Rainer Wanzke vor seinem Zuhause in Weißenfels. In den Händen hält er seinen Rentenbescheid. Michael Thomé

Weißenfels - Wenn immer es ging, hat Rainer Wanzke in seinem Leben gearbeitet. Irgendetwas abgelehnt? Niemals. Doch nun mit seinen 63 Jahren erhält er eine karge Rente.

Den allseits bekannten Spruch „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel“, kann er unterstreichen. 626 Euro überweist dem Weißenfelser die Rentenversicherung monatlich.

Karge Rente: Für den Weißenfelser reicht das Geld nur für Suppentüten

Davon sind noch Wasser- und Stromkosten zu zahlen. Ein warmes Mittagessen? „Ja, das schon. Ich hole mir aus der Kaufhalle meistens Suppentüten oder Essen in Dosen, wie beispielsweise Kohlrouladen, die ich mir dann auf dem Herd warm mache“, erzählt Rainer Wanzke.

Urlaub? Was ist das? Seit Jahren habe er den nicht machen können. Das Vier-Familien-Haus bewohne er allein. Es sei stark sanierungsbedürftig, aber wie anstellen?

Karriere im Buchdruck endete für Rainer Wanzke in einer Sackgasse

Doch viele werden sich fragen, wie kam das? Wie ist es möglich, dass ein Mensch nach einem Arbeitsleben derart in der Bredouille steckt? Geht das mit rechten Dingen zu? Um es vorwegzunehmen, es geht.

Rainer Wanzke begann ein ganz normales Leben. Nach der 10. Klasse erlernte er den Beruf eines Buchdruckers. „Ich habe Bücher von jeher geliebt. Schon als Kind.“ Bis heute sei das auch so geblieben. Gedichte oder auch Geschichtsbücher lese er gern.

Bis zur Wende arbeitete der Weißenfelser in der Druckerei in der Friedrichsstraße und bediente eine Druckermaschine. Doch zur Wende stellte sich plötzlich heraus, dass er den falschen Beruf zur falschen Zeit erlernt hatte.

Rainer Wanzke wurde, wie seine 40 Arbeitskollegen, 1991 arbeitslos. Von da an begann das Dilemma.

Welche teils gefährlichen Jobs Rainer Wanzke übernahm.

Es folgten ständige Wechsel von der Arbeitslosigkeit in die ABM, von der ABM hin zum Ein-Euro-Jobber, um dann wieder mal zeitlich begrenzt einen Job zu erhalten. Das war beispielsweise 1995, als er auf dem Tschirnhügel, einem Übungsplatz der russischen Armee, im Auftrag einer Firma ein Jahr lang nach Tellerminen und Patronen suchen musste. Ein gefährlicher Job. Ein Jahr zuvor arbeitete er im Grünbereich, ehe er bis 1999 wieder arbeitslos wurde.

Der Rentner aus Weißenfels hangelte sich von einer ABM zur nächsten

Im Jahr 2000 ergattert er sich wieder einmal eine ABM-Maßnahme, wieder im Grünbereich in Langendorf, ebenso 2002. Drei Jahre später erhielt er einen Ein-Euro-Job, unterstützte er den Hausmeister in der Bergschule, bevor er ein Jahr später wieder auf ABM-Basis arbeitete, um 2008 seine letzte berufliche Station wahrzunehmen: Drei Jahre lang konnte er im Rahmen der Aktion „Aktiv zur Rente“ noch einmal im Grünbereich arbeiten. Klar, wieder hieß es ABM. „Ich stand immer Gewehr bei Fuß, wie es so schön heißt, ich hätte liebend gern einen richtigen Job in einer Firma angenommen, die sich mit Natur und Umwelt befasst.“

Einmal habe sich die Arbeitsagentur seinen Wunsch notiert, dann habe er nie wieder etwas davon gehört. Er hätte nur zu gern eine Umschulung angenommen. „Aber leider, schade, es ist nichts geworden.“

Als ob es nicht schon schlimm genug ist, dass der Weißenfelser jahrelang beruflich hängen gelassen wurde, gibt er sich nun auch noch selbst die Schuld: „Ich habe keinen Führerschein, da ist es nicht leicht, in einen Job zu kommen. Man ist einfach schwer vermittelbar.“

Wie Rainer Wanzke trotz vieler Rückschläge optimistisch geblieben ist - und anderen hilft.

Doch Rainer Wanzke ist nicht verbittert - wer ihm begegnet, trifft auf einen optimistischen Menschen, der extrem hilfsbereit ist. „Langweilig ist mir nicht“, erzählt er. So helfe er unter anderem einem ehemaligen Arbeitskollegen, der mit seinen 65 Jahren schlecht laufen könne, beim Einkaufen. Im Seniorenwohnheim „Am Töpferdamm“ helfe er einer 93-jährigen gehbehinderten Frau, die zudem schlecht sehen kann, ebenfalls beim Einkaufen oder begleitet sie zu einem Spaziergang.

Und einem Rentnerehepaar helfe er im Garten beim Rasenmähen und auch beim Schneeschieben vor der Tür. „Mich kennen viele. Oft werde ich angesprochen, ob ich ihnen helfen kann. Klar, das mache ich gern.“ Kommt er beim Fernsehen auf andere Gedanken? „Nein, den habe ich 2008 abgeschafft. Das Programm ist schlecht und sagte mir nicht mehr zu.“ Viel lieber lese er am Abend und höre Radio.

Am Dienstag, 10. Januar, lesen Sie, wie ein Kurierfahrer schuftet und dennoch nicht in die Rente einzahlen kann. (mz)