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Der Herd bleibt aus Wirt des „Riestedter Hofs“ geht in den Ruhestand - Ein Rückblick auf seinen Werdegang

Joachim Rappmann, Wirt des „Riestedter Hofs“, geht in den Ruhestand. Der 74-Jährige kann auf ein bewegtes Leben in der Gastronomie zurückblicken.

Von Grit Pommer 18.01.2025, 15:15
Die Gaststätte "Riestedter Hof" von Joachim Rappmann schließt .
Die Gaststätte "Riestedter Hof" von Joachim Rappmann schließt . (Foto: Maik Schumann)

Riestedt/MZ. - Die Nachricht haben viele bedauert: Der Riestedter Hof schließt. Nach fast 35 Jahren hat Joachim Rappmann zum letzten Mal den Herd angestellt und Gäste bekocht. Jetzt, mit 74, ist er endlich im Ruhestand.

Lehrer am Beruf in der Gastronomie schuld

Als die MZ ihn zum Gespräch trifft, ist er gerade zurück vom Stammtisch aus Oberhof. Immer montags, einmal im Monat, trifft er sich dort schon seit Jahrzehnten mit früheren Kollegen aus der Gastronomie. Denn einen großen Teil seines Berufslebens hat Rappmann am Rennsteig verbracht.

Doch zurück zum Anfang. Dass der Beyernaumburger, dessen Eltern nach dem Krieg eine Bäckerei in Riestedt betrieben, in der Küche landete, daran sei im Grunde sein Lehrer schuld, erzählt er. Der wollte nämlich, dass seine Schüler einen Aufsatz schreiben: Wie stelle ich mir mein zukünftiges Leben vor?

„Mir ist nichts anderes als Koch eingefallen“, erzählt Rappmann und lacht. Damals im Aufsatz hat er sich das schön ausgemalt: Im Sommer Koch in einem Hotel im Gebirge und in der kalten Jahreszeit vielleicht auf einem Ferienschiff. Zumindest der Wunsch mit dem Gebirge sollte später ja tatsächlich in Erfüllung gehen.

Blick auf den Gasthof
Blick auf den Gasthof
(Foto: Maik Schumann)

Kochlehre im Interhotel in Magdeburg

Rappmann begann eine Kochlehre im Interhotel in Magdeburg – sein Onkel war da Empfangschef. Mit dem zweiten Lehrling, der damals begann, habe er sich auf Anhieb gut verstanden, erzählt Rappmann. Da ließ sich auch der mitunter raue Ton in der Küche gleich viel besser aushalten.

Am ersten Tag mussten die Jungs die Topfküche übernehmen – also Töpfe und Pfannen schrubben. Dass die Frau, die das normalerweise erledigte, schon seit zwei Wochen im Urlaub war, machte die Sache nicht leichter. Tags darauf ging es weiter mit Zwiebeln schälen.

In der Lehrzeit durchlief Rappmann alle Abteilungen, auch Fleischerei, Kalte Küche und Patisserie. Hat er Rezepte, die er seit damals unverändert weiter gekocht hat? Er überlegt kurz und nennt zwei Klassiker: Filetgulasch Stroganoff und Rumpsteak Strindberg.

Gleich nach der Lehre an die Ostsee

Gleich nach der Lehre ging es für Rappmann dann an die Ostsee. „Das Hotel hat während der Saison immer zwei Leute nach Bansin geschickt“, erzählt er. Ein Angebot, über das der Beyernaumburger nicht lange nachdenken musste. „Man war ja jung und wollte Geld verdienen.“

Nach eineinhalb Jahren Armeedienst in Rostock ging er dann ins Hotel „Oberer Hof“ nach Oberhof, wechselte später ins FDGB-Ferienheim „Rennsteig“ und landete schließlich im Gästehaus Schönbrunn, in dem DDR-Gewerkschaftsboss Harry Tisch im Thüringer Wald internationale Besucher empfing.

Im "Riestedter Hof" hängt auch ein Foto von Franz Rappmann, dem Großvater von Joachim Rappmann.
Im "Riestedter Hof" hängt auch ein Foto von Franz Rappmann, dem Großvater von Joachim Rappmann.
(Foto: Maik Schumann)

„Der kam auch mal in die Küche und sagte: Los, schenk uns mal einen ein“, erzählt Rappmann, der zwischenzeitlich im Gästehaus Schmöckwitz bei Berlin im Einsatz war. Den Küchenchef wussten auch die Besucher aus dem westlichen Ausland zu schätzen.

„Manche gingen schnell vor Ort in den Intershop und kauften einem eine Flasche“, erinnert sich Rappmann. Die Gewerkschaftschefs aus Paris und Marseille indes dachten immer schon vor der Anreise an den Koch und brachten ihm jedes Mal ein Geschenk aus Frankreich mit.

Durchstarten als privater Gastwirt in Riestedt

Seine Frau Stefanie lernte Rappmann ebenfalls in Oberhof kennen, bekam mit ihr einen Sohn. Als die beiden im Mai 1987 heirateten, war Rappmanns Zeit in den Gästehäusern der FDGB-Bosse jäh vorbei. „Ihre Schwester war in den Westen ausgereist – ich bekam die Kündigung“, erzählt er.

Zum Glück hatte er sich da ohnehin schon umorientiert. Bei einem Klassentreffen hatten ihn Schulfreunde darauf aufmerksam gemacht, dass die ehemalige „Restauration Engelmann“ an der Riestedter Hauptstraße, wo seit den 50er Jahren die HO-Verkaufsstelle untergebracht war, demnächst frei würde, weil in Riestedt eine Kaufhalle gebaut wurde. „Mensch, mach doch da wieder ’ne Gaststätte rein“, meinten sie zu Rappmann.

Blick auf den Innenraum der Gaststätte.
Blick auf den Innenraum der Gaststätte.
(Foto: Maik Schumann)

Der kaufte das Haus und baute es um. Und bevor er entscheiden musste, ob er es als Partner von Konsum oder HO betreiben wollte, kam die Wende und er startete einfach als privater Gastwirt.

Brätel, Steak, Filetpfanne mit Pilzen bei den Gästen beliebt

Die Holzvertäfelung im Gastraum, die aussieht, als stamme sie noch aus den Zeiten der alten Engelmann-Restauration, wurde übrigens erst 1992 eingebaut – von einem ungarischen Handwerker. Und der Baum mitten im Raum verhüllt einen Stahlträger, mit dem nach dem Abriss einer Wand die Decke abgesichert wurde.

Jahrzehntelang hat Rappmann im Riestedter Hof die Gäste bekocht. Am meisten war Kurzgebratenes gefragt, erzählt er. Brätel, Steak, Filetpfanne mit Pilzen. Doch es wurde immer schwieriger, Personal zu finden. Die Familie musste als Aushilfe einspringen. „Zuletzt hat es ganz schön Kraft gekostet“, sagt Rappmann. Der „Riestedter Hof“ soll jetzt verkauft werden. Ob sich wieder ein Wirt findet – man wird sehen.