MZ-Reporter auf dem Harzrundweg MZ-Reporter auf dem Harzrundweg: Etappensieg in Blankenburg

Sangerhausen - Wie viele Fahrradfahrer sind auf dem Harzrundweg unterwegs? Mir sind auf den ersten Etappen bisher nur vier Radler entgegengekommen. Sandra Oertel, deren Familie den „Harzer Hof“ in Osterode am Harz betreibt, erzählt mir, nach dem Weg werde kaum gefragt. Radfahrer machten schon Station.
Doch meist sind es Rennrad-Fahrer, die auf den Oberharzer Straßen Bergtouren fahren. Oder aber Mountainbiker, die auf Trailstrecken im Gebirge unterwegs sind. Die Masse der „fahrenden“ Harztouristen kommen aber immer noch auf dem Motorrad.
Radkarte ist nur schwer zu finden
Dass der Harzrundweg so gut wie keine Rolle spielt, merke ich auch in der Osteröder Tourist-Info. Die Mitarbeiterinnen suchen ziemlich lange, bis sie die Radkarte finden. Sie liegt nämlich ganz unten im Stapel.
Ilsenburg: Im Hütten- und Technikmuseum gibt es Einblicke in die bewegte Geschichte der Stadt. Zahlreiche Bilder von Ilsenburger Künstlern erzählen Geschichten aus dem Leben der Menschen und eine Sammlung anschaulicher Exponate geben die geschichtliche Entwicklung der dortigen Hüttenindustrie wieder. Geöffnet ist mittwochs bis samstags von 13 bis 16 Uhr. Sehenswert ist auch der Friedenspark. Wasserkaskaden laden zum Verweilen ein. Der Park ist Teil des Industrielehrpfades „Vom Erz zum Metall“.
Wernigerode: Im Luftfahrtmuseum Wernigerode können Besucher über 1.000 Exponate und mehr als 50 Flugobjekte sehen. Ein Flugsimulator lädt dort zum „Selbstfliegen“ ein. Das Museum hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Lohnenswert ist auch ein Besuch des Kleinsten Hauses in Wernigerode. Das Mitte des 18. Jahrhunderts erbaute Gebäude ist nur 2,95 Meter breit. Geöffnet ist das dortige Museum täglich von 10 bis 16 Uhr.
Hinter Goslar wird die Strecke belebter. Beim Anstieg nach dem Start an der Jugendherberge in der Nähe des Rammelsbergs, überholen mich auf einmal sechs sportliche Männer aus Münster. Sie sind ebenfalls in Goslar gestartet und wollen in einigen Tagen in Potsdam sein. „Wir fahren öfter zusammen Rad, waren aber noch nie im Harz und lieben eigentlich das flache Land“, erzählt Michael Leffers, während wir uns zusammen auf der bergigen Strecke durch den Wald kämpfen.
Nach zwei Etappen habe ich schwere Beine, die Jungs aus Münster sind besser drauf. Erst geht es hoch, dann runter zum Flüsschen Oker und dann wieder hoch.
Und dann? Dann verfahre ich mich wieder einmal. Meine neuen Freunde aus Münster sind auf einmal weg und ich kämpfe mich in Oker auf einem Radweg die stark befahrene Bundesstraße 498 hoch. Irgendwann hört der Radweg auf und ich Dussel bemerke erst dann, dass die Richtung völlig falsch ist.
Aus dem Dunst heraus taucht der Brocken auf
Ich drehe um, finde den Harzrundweg aber wieder nicht und fahre deshalb auf einem straßenbegleitenden Radweg an verschiedenen Harzer Metallwerken vorbei nach Bad Harzburg. Zwischen Harlingerode und Schlewecke taucht er dann plötzlich im Dunst auf, der Brocken. Näher war der mit 1.141 Metern höchste Berg des Harzes auf der Tour nie zu sehen.
In Bad Harzburg steigen mir Autoabgase in die Nase, in dem Kurort herrscht an diesem Vormittag ein Verkehr wie in einer Großstadt. Nach den Abschnitten im Wald merke ich erst einmal wie schlecht die Luft im Zentrum der Stadt ist, die sich gerade mit einem Millionen Euro teuren Baumwipfelpfad und neuen Themenwegen als „Wellness-Wanderland“ neu erfindet.
Da die Beine schmerzen, bin ich drauf und dran, mich in das 32 Grad warme Solewasser der Therme zu legen, die an der Kurpromenade steht, fahre aber weiter Richtung Wernigerode. Schließlich will ich noch bis Blankenburg.
Wenig erinnert an innerdeutsche Grenze
Vor Ilsenburg zieht sich der Weg mit einer leichten Steigung durch den Wald, und dann geht es schön herunter. Das Rad läuft so gut, dass ich fast die kleine Brücke übersehe, die die Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt darstellt. Früher gab es auch hier eine stark bewachte Grenze.
Wenige Meter weiter sind auch noch die Betonplatten des Kolonnenwegs sehen, den die DDR-Grenztruppen befahren haben. Mein Schwiegervater war als Soldat in der Nähe stationiert. Er erinnert sich nur ungern an diese Zeit, zum Glück habe er auf niemandem schießen müssen, sagt er.
Eine neue Tafel erinnert wenige Kilometer weiter im Eckertal an die Jungbornbewegung. 1896 eröffnete Adolf Just hier eine Kuranstalt, in der seine Gäste durch Licht, Luft, Lehm und Wasser wieder zum inneren Gleichgewicht finden sollten. Statt der einst 100 Lichtlufthäuser gibt es heute nur noch ein Schild, denn die Kurgebäude lagen nach dem Krieg im Sperrgebiet und wurden abgerissen.
Halt im Kloster Ilsenburg und Drübeck
Ab dem malerischen Ilsenburg gehe ich zum zweiten Mal auf der Harzumrundung auf Klostertour, besuche die Klöster Ilsenburg und Drübeck. Und freue mich bei der Hitze über die Kühle in der sehenswerten Drübecker Klosterkirche St. Vitus. Die früheste Erwähnung des Nonnenklosters Drübeck geht auf eine Urkunde Kaiser Otto I. zurück, der dem Kloster im Jahre 960 Land schenkte. Die Benediktinerinnen in Drübeck lebten nach den strengen Regeln des heiligen Benedikt von Nuria. Heute befindet sich hier ein evangelisches Tagungszentrum.
Und dann ist auch schon Wernigerode erreicht. In der Ferne grüßt das pittoreske Schloss, das zu den schönsten in Deutschland gehört. Sein heutiges Aussehen erhielt es aber erst im 19. Jahrhundert. Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode ließ die Festung von 1862 bis 1883 umbauen - seine Stellung als Vizekanzler Bismarcks machte es ihm möglich. Ich habe genug Anstiege in den Beinen und entscheide mich gegen eine Fahrt zum Schloss.
Stattdessen rolle ich an der „Hasseröder Brauerei“ vorbei, auf deren Betriebsgelände Tausende Kästen mit Bier stehen. Ein Schild verkündet, man freue sich über Besuch. Ich wollte schon immer mal an einer Brauereiführung teilnehmen. Wären da nicht dieses Grollen und die dunkle Wand am Himmel. Ich fahre deshalb in die hübsch sanierte Innenstadt. „Dort kannst du dich besser unterstellen“, denke ich mir. Und treffe am Marktplatz meine Münsteraner Freunde wieder: Sie sitzen bereits seit einer halben Stunde beim Bier, waren aber, so glaube ich zumindest, nicht in den Klöstern.
Reporterpech am Bahnhof Westerntor
Als alter Eisenbahnfan will ich schnell noch die Züge der Harzer Schmalspurbahn (HSB) fotografieren, deren Gleise ich bereits beim Start der Tour in Niedersachswerfen und Ilfeld gesehen habe, vertrödele jedoch wertvolle Minuten im „Dampfladen“ der HSB in der Innenstadt.
Reporterpech: Als ich zum Bahnhof Westerntor komme, sind die Dampfzüge gerade weg. Aber man kann auch Glück haben! Denn Sylvia Possin und ihr Lebensgefährte helfen aus: Das Paar aus Mühlheim an der Ruhr in Nordrhein-Westfalen hat die Züge fotografiert und schickt mir Bilder und Videos per Bluetooth aufs Handy. „Dass sich Eisenbahnfreunde helfen, ist doch Ehrensache“, sagen sie.
Im Gewitterregen mache ich mich auf nach Blankenburg. Unterwegs holen mich an einer steilen Abfahrt vier der sechs Münsteraner wieder ein. Sie müssen aber auf die anderen beiden Mitfahrer warten. Nur deshalb bin ich der erste in Blankenburg und damit quasi der Sieger der anstrengenden, aber laut meiner Fitnessuhr nur rund 54 Kilometer langen Etappe.
Das Ding zeigt 408 Höhenmeter. Ich glaube aber, die Uhr spinnt. Gefühlt waren es wesentlich mehr. Die sechs Männer aus Münster wollen noch bis Quedlinburg weiter. Dorthin führt der Harzvorlandweg. Er soll nicht so bergig sein.
Die nächste Etappe führt von Blankenburg nach Stangerode. (mz)
