1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Sangerhausen
  6. >
  7. MZ-Reporter auf dem Harzrundweg: MZ-Reporter auf dem Harzrundweg: Erste Etappe führt zur "Kelle" und zum Riesenomelett

MZ-Reporter auf dem Harzrundweg MZ-Reporter auf dem Harzrundweg: Erste Etappe führt zur "Kelle" und zum Riesenomelett

Von Frank Schedwill 13.06.2018, 17:00
Blick auf die Ruine des Klosters Walkenried: Die Kirche war einst das erste gotische und größte Gotteshaus in Mitteldeutschland.
Blick auf die Ruine des Klosters Walkenried: Die Kirche war einst das erste gotische und größte Gotteshaus in Mitteldeutschland. Frank Schedwill

Sangerhausen - Nur wenige Kilometer nach dem Start schmerzen bereits die Beine. Es ist früher Morgen und das Thermometer zeigt bereits 25 Grad Celsius an. Ich bin außer Puste und frage mich, ob ich nicht doch besser mit einem E-Bike gefahren wäre. Der Landkreis Nordhausen, der den Weg mit der Harzhexe in Thüringen zuletzt für rund eine Million Euro ausgebaut hat, hat die Streckenführung geändert: Kurz hinter dem Braunsteinhaus bei Ilfeld führt die Trasse nun durch das landschaftlich reizvolle, aber auch recht steile Steinmühlental.

Vielleicht hätte man den Weg auf der kürzeren und nicht so bergigen Straße lassen sollen, denke ich mir, als ich zum ersten Mal absteige und das mit zwei Gepäcktaschen beladene schwere Rad den steilen, steinigen Berg hinaufschiebe. Aber ich bin ja nicht losgefahren, um möglichst schnell in den nächsten Ort zu kommen. Der Weg ist mein Ziel.

Steiles Steinmühlental, aber schöner Ausblick auf Südharzer Berge

Und die Natur entschädigt für die Anstrengungen. Immer wieder gibt es schöne Ausblicke auf die Südharzer Berge, beispielsweise hinter Sülzhayn. Doch zuvor habe ich einen gefühlt einen Kilometer langen und zehnprozentigen Anstieg zum steinernen Sühnekreuz bewältigt. Das wurde der Legende nach zur Erinnerung an einen Mönch errichtet, der an dieser Stelle um 1774 erschlagen worden ist.

Kurz vorher passiere ich die sogenannte „Kelle“ zwischen Appenrode und Werna: Die einstige Karsthöhle ist das älteste Naturdenkmal im Kreis Nordhausen und tauchte schon im Jahr 1589 auf einer Karte auf. Damals soll die Halle 85 Meter lang gewesen sein. Heute stehen Besucher vor einer halboffenen Grotte mitten im Wald. Der fünf Meter tiefe Höhlensee schimmert grünblau. Da das Wasser sulfathaltig ist, gibt es keine Lebewesen darin.

Schlägt Defekthexe schon auf erster Etappe zu?

Kurz hinter der Kelle knirscht es laut im Hinterrad. Ich schrecke auf und habe Angst, dass nach den ersten Kilometern auf der Harzhexentour bereits die Defekthexe zugeschlagen hat. Zum Glück ist es nur ein Ast, der in der Schaltung hängt und sich leicht beseitigen lässt. Das Steppenwolf-Rad aus Sangerhausen rollt danach problemlos weiter.

Zwischen Ellrich und Walkenried mache ich einen Stopp: Ein schwarz-rot-gold gestrichener Betonpfahl markiert die frühere Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Früher mit hohen Zäunen und einem Pkw-Sperrgraben schier unüberwindlich, ist die einstige innerdeutsche Grenze kaum mehr zu erkennen, stünde dort nicht ein großes Schild. Es erinnert daran, dass Deutschland an dieser Stelle bis zum 11. November 1989, 19.34 Uhr, geteilt war.

Ich rolle weiter nach Niedersachsen, nach Walkenried. Heute kaum vorstellbar, aber der kleine Ort war im frühen Mittelalter ein wichtiges geistliches Zentrum in der gesamten Region. 1127 stiftete Adelheid von Walkenried hier unweit des Flüsschens Wieda das dritte Zisterzienserkloster im deutschsprachigen Raum.

Walkenried: Stopp an einem der einst bedeutendsten Klöster in Mitteldeutschland

Das Klostermuseum im früheren Klausurgebäude erzählt die Geschichte der Zisterzienser-Mönche, die es ab 1129 zu einem der bedeutendsten Klöster in Mitteldeutschland ausbauten und damals bereits wie eine Art Konzern führten. In Sittichenbach bei Eisleben und in Pforta bei Naumburg gab es Tochterklöster.

Ellrich: Im Feuerwehrmuseum werden die Geschichte des Löschwesens und die Lage der Stadt im Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze dargestellt. Geöffnet ist im von Mai bis September jeden 1. Sonntag im Monat von 15 bis 17 Uhr.

Steina: Im Ex-Glasmacherdorf kann man sich in einem Museum über die Glasgeschichte informieren. Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags 15 bis 17 Uhr.

Scharzfeld: Dort lädt die Einhornhöhle zum Besuch ein. Ihr Name stammt daher, weil man früher davon ausging, dass die in der Höhle gefundenen Tierknochen von Einhörnern stammten. Geöffnet ist dienstags bis sonntags. (mz)

Rund 30.000 Gäste besuchen im Jahr das Museum und die Ruinen der Klosterkirche. Einst war es das erste gotische und größte Gotteshaus in Mitteldeutschland. Noch heute ist es ein magischer Ort, der so gar nicht in den Harz zu passen scheint, man wähnt sich eher in England. Wie scharfe Zacken ragen die weißen Kirchenreste in den blauen Himmel.

Schade nur, dass Chefin Wendy Eixler, die das Museum betreut, heute keine Zeit hat. Aus betrieblichen Gründen müsse das Museum geschlossen bleiben, sagt sie und lädt gleichzeitig ein, wieder zu kommen. Vielleicht auch zum Klostermarkt, der im September immer tausende Gäste in den sonst so verschlafenen Klosterort lockt.

Auf dem Harzrundweg hapert es stellenweise an der Beschilderung

Das A und O bei so einer Tour auf einem Radfernweg ist natürlich die Ausschilderung. Hinter Walkenried merke ich erst mal, wie verwöhnt ich auf den ersten Kilometern war. Ich verfahre mich beispielsweise in Bad Sachsa und Herzberg, weil Schilder fehlen, zugewachsen oder an so ungünstigen Stellen angebracht sind, dass ich sie übersehe.

Die Tafeln mit der Rad fahrenden Hexe sind im Westen auf einmal auch deutlich kleiner als im Osten. In Bad Sachsa muss ich beispielsweise noch einmal eine Ehrenrunde mit einem starken Anstieg am Ortsrand drehen, ehe ich die richtige Trassenführung finde. Dummerweise vergesse ich bei dem Ärger, meine Wasserflasche zu füllen - und das vor dem anstrengenden Anstieg auf 450 Meter in Richtung Ravensberg.

An der Wasserscheide von Elbe und Weser, die mit einem Stein markiert ist, geht es von dort dann am Wiesenbeker Teich vorbei nach unten. Unterwegs ist noch die Pfanne des größten Omeletts der Welt zu sehen. Maik Dombrowsky, der Wirt der Wiesenbek-Baude, hat es 1981 mit mehreren Helfern aus 6 000 Eiern und sechs Zentnern Kartoffeln hergestellt. Er kam damit ins Guinnessbuch der Rekorde.

Vor dem Kräfte zehrenden Anstieg zum Ravensberg ist Ingrid Carl-Hinzdorf in Steina meine Rettung. Die 60-Jährige betreibt einen Dorfladen. Es ist das einzige Geschäft in dem 700 Einwohner zählenden Ort, der um die Mittagszeit wie ausgestorben ist. Kein Mensch ist auf der Straße.

Keine Gaststätte mehr in Steina, dafür viele Ferienwohnungen

Obwohl es in Steina viele Ferienwohnungen gibt, existiert auch keine Gaststätte mehr, sagt die 60-Jährige. Wer abends ein Bier trinken will, muss erst in Nachbarorte fahren.

Die Probleme scheinen mittlerweile hier im südlichen Niedersachsen die gleichen zu sein wie in Sangerhausen. Und auch die Klagen vieler Sangerhäuser über das Ladensterben kommen mir wieder in den Sinn, als ich am Nachmittag durch das schmucke, aber ebenfalls fast menschenleere Zentrum von Herzberg fahre. Viele Geschäfte sind auch dort nicht vermietet.

Ich mache noch einen Abstecher zum Welfenschloss, das weithin sichtbar über Herzberg thront. In dem historischen Gebäude haben das Amtsgericht und ein Museum ihren Sitz. Und fahre dann weiter in das wesentlich belebtere Osterode mit seinen schönen Fachwerkhäusern. Nach gut 80 Kilometern und mit etwa 800 Höhenmetern in den Beinen endet in der früheren Kreisstadt der erste Teil meiner Tour rund ums Mittelgebirge.

Die nächste Etappe führt von Osterode am Harz nach Goslar. (mz)

Die einstige Karsthöhle „Kelle“.
Die einstige Karsthöhle „Kelle“.
 Schedwill
Der Autor an der früheren innerdeutschen Grenze bei Ellrich.
Der Autor an der früheren innerdeutschen Grenze bei Ellrich.
 Schedwill