Mord verjährt nicht Mord verjährt nicht: Wie das Rätsel um die menschlichen Überreste geklärt wurde

Sangerhausen - Es hätte ein aufwendiger Fall mit vielen und auch teuren Ermittlungen werden können: Am Nachmittag des 30. Juli dieses Jahres wurden bei Arbeiten an einem Einfamilienhaus am Sangerhäuser Bonhöfchen eine ganze Reihe menschliche Überreste gefunden: Schädel, Unterschenkelknochen und anderes. Die Besitzer waren in heller Aufregung, denn bei einem vermuteten Verbrechen auf ihrem Grundstück drohte unter anderem ein längerer Baustopp.
Menschliche Überreste in Sangerhausen
„Mord verjährt nicht, Totschlag erst nach 20 Jahren“, sagt Polizeisprecherin Steffi Schwan. Das heißt: Die Polizei muss auch nach vielen Jahrzehnten noch ermitteln. Und so wäre auch am Bonhöfchen die gesamte Maschinerie mit Tatortuntersuchung, Spurensicherung und DNA-Analyse angelaufen. Für die Polizei und am Ende den Steuerzahler eine teure Geschichte.
Zum Glück kam bei der Stadtverwaltung, bei der sich die Polizei auch erkundigte, jemand auf die Idee, die Ermittler zuerst zu Helmut Loth zu schicken, den Chef des Geschichtsvereins. Der wurde von der Kaffeetafel geholt und konnte nach kurzer Recherche Entwarnung geben. Denn es lag kein Verbrechen vor, was später auch noch eine weitere Untersuchung bestätigte.
Helmut Loth vom Geschichtsverein kann helfen
Die Skelettteile stammten vielmehr von einem Friedhof, den die Stadt unterhalb des heutigen Bahnhofs hatte anlegen lassen. Im Jahr 1852 gab es dort die erste Bestattung. Durch den Bau des Bahnhofs sei die Fläche dann zerschnitten worden, so dass der Gottesacker wieder aufgegeben wurde. Seit 1885 wird nun der wenige hundert Meter weiter westlich gelegene Friedhof am heutigen Friesenstadion genutzt, der auch jetzt noch in Betrieb ist (siehe Infokasten).
In Sangerhausen gab es in den vergangenen Jahrhunderten mehrere Friedhöfe, vor allem an den Kirchen. 30 Schritte um die Gotteshäuser galten als geweihter Bereich. So existierten unter andrem Friedhöfe an der Bonifatiuskirche im Altendorf (nördlich der heutigen Altstadt), am Hospital Sankt Julian, an der ab 1116 errichteten Ulrichkirche und dem Augustinerkloster, das 842 abgebrochenen worden war. Dazu kamen Gottesacker an der Jacobikirche und der Marienkirche.
Nachdem dieser Friedhof im 19. Jahrhundert wegen Platzmangels nicht mehr genutzt werden konnte, kaufte die Stadt nördlich davon ein großes Feld vor dem späteren Bahnhof. 1852 fand dort die erste Bestattung statt. Durch den Bau der Bahnlinien und eines Damms für den Weg zum Bahnhof wurde der Friedhof zerschnitten und bis bis 1885 aufgegeben.
Auf der „Neuen Weide“, nordöstlich der Altstadt, legte die Stadt den heutigen städtischen Friedhof an, zunächst auf einer Fläche von vier Morgen. Dieser Friedhof wurde im Mai 1885 eingeweiht. Die Feierhalle stellte man 1887 fertig. 1893 wurde der Friedhof um zwei Morgen vergrößert.
Quelle: Geschichtsverein
Die Polizei bedankte sich bei Helmut Loth für seine Mühe mit einer „Genussbox“, in der sich Spezialitäten aus Mansfeld-Südharz befinden. „Es wäre ohne Ihre Hilfe eine hochfinanzielle Geschichte für uns geworden“, sagte Heiko Prull, der Chef des Revierkommissariats. Loth entgegnete, er habe gern geholfen und sehe das auch nicht als etwas Besonderes an.
Lob an den Geschichtsverein von der Polizei für die Zusammenarbeit
Der Chef des Geschichtsvereins lobte seinerseits die Polizei für die gute Zusammenarbeit auch bei Veranstaltungen, die der Verein durchführt. Das Verhältnis sei gut.
Er erinnere sich noch, wie er zur DDR-Zeiten mal wegen einer politischen Geschichte beim Abschnittsbevollmächtigten antreten musste, sagte Loth, der in der Kirche und der Bürgerrechtsbewegung mitwirkte. Loth: Zum Glück seien die Zeiten der Bevormundung vorbei und das Verhältnis zwischen den Bürgern und der Polizei heute ein ganz anderes. (mz)