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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Die Nachbarn sollten neidisch sein

Von Heinz Noack 12.02.2012, 17:15

Bennungen/MZ. - Der Bennunger Dorfmüller Karl Müller wollte 1899 den Ort Bennungen außer mit Mehl auch mit elektrischem Strom versorgen. Müller legte dem damaligen Schulzen (Bürgermeister) Karl Jordan einen Vertrag vor, in dem er anbot, den ganzen Ort zu elektrifizieren. Jeder Interessent sollte einen eigenen Anschluss bekommen. Der Vertrag hatte eine vorgesehene Laufzeit von 25 Jahren und sogar eine Ortsbeleuchtung war darin vorgesehen. Dafür stellte er zusätzlich einen Preisnachlass in Höhe von 25 Prozent in Aussicht.

Das Elektrizitätswerk sollte die Dorfmühle werden, der Antrieb des Generators über ein Wasserrad erfolgen. Die Mühle wurde durch einen Nebenarm der Helme angetrieben, hatte also im Vergleich mit den anderen drei Mühlen im Ort eine gute Wasserversorgung. Der Gemeinderat entschied sich am 17. Juli 1899 mehrheitlich mit sechs gegen fünf Stimmen für diesen Vertrag. Wenige Wochen später berichtet der Allgemeine Roßlaer Anzeiger, dass die Genehmigungen der verschiedenen Behörden vorliegen und demnächst mit dem Errichten der Anlage begonnen werden soll. Die notwendigen baulichen Veränderungen in der Mühle wären bereits fertig gestellt und auch der Generator und der Akkumulator schon in Auftrag gegeben.

Zur Kirmesfeier im September sollte das elektrische Licht in Bennungen "ganz zum Neid der Nachbargemeinden" leuchten. Das ist die letzte Nachricht darüber in der Chronik. Ob es je funktionierte, ist nicht überliefert. Der Müller wurde zwar ein Jahr später, im Oktober 1900, nach dem tödlichen Unfall von Jordan, zum Gemeindevorsteher gewählt, aber der Ort bekam keinen elektrischen Strom aus der Mühle. Man musste sich noch 14 Jahre gedulden, erst 1913 schloss man Bennungen an das Überlandnetz an.

Die Geschichte der Mühle reicht viel weiter zurück. Ursprünglich gehörte sie zum Komplex des Rittergutes, dem Sitz derer von Bennungen. Das Rittergut hat seinen Ursprung in einem Reichshof aus dem 10. Jahrhundert. Zu einer solchen Anlage gehörte immer eine Mühle. In den frühen Urkunden ist sie jedoch nicht erwähnt. Im Jahre 1499 verkauften die Stolberger Grafen sie zusammen mit dem Rittergut an die Brüder Hans und Kurt Barth.

Das älteste Kirchenbuch nennt als ersten Müller 1682 einen Meister Martin Kühling. 1699 kam es zu einem tödlichen Unfall: Die Tochter des Schäfermeister ertrank im Mühlsumpf. Das Steuerregister von 1737 nennt den Müller Friedrich Penoldt. Jener hatte die Mühle acht Jahre zuvor von den Heyrothschen Erben für 1500 Taler gekauft. Penoldt ließ alles neu bauen. Auch das heutige Wohnhaus wurde von ihm errichtet. In der Mühle befanden sich zwei Mahlgänge und ein Schrotgang sowie eine Ölmühle. Um alles bezahlen zu können, hatte er sich bei mehreren Berufskollegen insgesamt 1700 Taler geborgt. 1755 gab es wieder einen tödlichen Unfall: Der Schuljunge Andreas Eckardt war unter eine Welle gekommen. Am 16. Januar 1772 stürzte abends gegen 11 Uhr der Müllermeister Andreas Heinrich Sanftleben beim Eisabschlagen unter das Mühlrad und ertrank. Im Januar und Februar 1784 war es erneut sehr kalt, auch die Helme fror zu und die Mühle stand sogar still.

1936 verkaufte der damalige Mühlenbesitzer Ernst Müller die Dorfmühle an den Müllermeister Alfred Menge aus Kleinwechsungen. Er betrieb außer der Mahlmühle auf dem Grundstück eine Dreschmaschine, die über Drahtseile ebenfalls vom Mühlrad mit angetrieben wurde. 1941 stellte Meister Menge den Antrieb auf Elektromotoren um, das Wasserrad nutzte man nur noch gelegentlich. 1942 wurde die Welle erneuert.

Als im Jahre 1952 das Helmewehr brach, bekam die Mühle nicht mehr genügend Wasser und das Rad stand still. 1960 war das neue Wehr fertig gestellt und das Mühlrad drehte sich wieder. Im gleichen Jahr wurde zum letzten Mal Mehl gemahlen. Die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) übernahm die Mühle, ließ aber kaum noch darin arbeiten.

Wenige Jahre später brach die Eichenholzwelle des Mühlrades und seitdem steht dieses still. 1972 übernahm Martin Menge die Mühle. Es folgte ein wirtschaftlicher Aufschwung. Zahlreiche Tierhalter ließen hier das Schrot für ihre Viehhaltung mahlen. 1993 wurden noch ein Schrotgang mit Steinen und eine Hammermühle betrieben.

Von den großen Feuerbrünsten blieb die Mühle verschont, wurde aber dafür von jedem Hochwasser heimgesucht. Im Jahre 1546 stand das Wasser fünf Zoll hoch in der Stube. 1908 waren Teile des Unterdorfes unter Wasser gesetzt, die Mühle sogar mehrere Tage vollständig abgeschnitten. Eines der schlimmsten Helmehochwasser war im Jahr 1946.

Martin Menge erlebte es als kleiner Junge mit: "Am Morgen war der Bürgermeister Hügelmann bei den Nachbarn und sagte Bescheid, dass Hochwasseralarm sei. Dann ging alles ganz schnell: Das Wasser stieg und stieg. Wir räumten alles Tragbare aus der Wohnung in die obere Etage, auch die Körner wurden aus der Mühle gebracht. Das Wasser stieg bis an die zweite Treppenstufe."

Kritischer wurde es bei Müllermeister Alfred Menge mit dem Vieh: Die Pferde standen im Wasser und die Schweine brachte man auf Leiterwagen in Sicherheit. Für einige Schafe kam allerdings jede Hilfe zu spät. Sie ertranken bei dem Hochwasser im Stall.