Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Das Leben auf und mit dem Berg
STOLBERG/MZ. - "Dann wird eben noch mal gestreut", sagt Dieter Hohmann unverdrossen.
Seit 23 Jahren, fast ein viertel Jahrhundert, lebt er mit Ehefrau Christel auf dem Auerberg. Er stammt aus Neudorf, beide haben mal ein Ferienheim in Unterweißbach geführt, doch es zog sie in den Harz zurück. Als sie kamen, wurde das eiserne Doppelkreuz vor ihrer Haustür zum ersten Mal restauriert. "Eigentlich sollte es 1989 zur Thomas-Müntzer-Ehrung fertig sein", erzählt der 62-Jährige. Aber es fehlte an Material, das Wetter war schwierig. Der Turm wurde erst im Sommer 1990 wieder eingeweiht. Eine der lustigsten Episoden, die er auf dem Berg erlebt hat, ereignete sich in jenem Winter 1989 / 90. "Es hatte nachts geschneit, und als ich gegen sechs Uhr auf meinen Lada Niva die Winterreifen aufziehen wollte, hörte ich plötzlich jemanden rufen. Vor der Garage standen zwei Männer in Anzügen, mit weißen Söckchen und Vertreter-Schuhen. Die wollten in die Gaststätte. Früh um sechs!" Wie sich herausstellte, sollten sie sich im Auftrag eines Berliner Senders im "wilden Osten" umschauen, hatten bis tief in die Nacht im Gasthaus "Kupfer" gezecht und waren dann losgefahren, um das Josephskreuz zu suchen. Bloß war ihnen das Auto irgendwo auf dem Auerberg in eine Böschung gerutscht, so dass sie sich zu Fuß auf die Suche nach dem nächsten Haus begaben - und froh waren, Stunden später das "Bergstüb'l" zu finden und sich ein wenig aufwärmen zu können. "Wir sind dann alle möglichen Wege abgefahren, bis wir das Auto gefunden hatten. Zum Glück waren Holzfäller in der Nähe, die es nach zweit Stunden mit dem Lkw rausgezogen haben", sagt Dieter Hohmann und schmunzelt im Nachhinein. Auch wenn sich die Berliner nicht mal bedankten, als sie davonfuhren.
Doch solche Erfahrungen machen die Wirtsleute selten. Eher ist es umgekehrt. Viele Gäste - aus Halle oder Leipzig, Salzgitter, Braunschweig und Clausthal-Zellerfeld und vor allem aus der näheren Umgebung - lassen sich kein Fest auf dem Auerberg entgehen. "Die Leute sind doch über die A 38 oder die B 6n im Nu hier!" Egal, ob Wald- oder Winterfest, Himmelfahrt, Herbst- oder Pfingstkonzert, die Besucher strömen zu hunderten zum Ausflugsziel. Im vergangenen Jahr waren es immerhin rund 30 000. "Wir lassen uns auch immer was einfallen. Zum Beispiel die Baudenabende, wenn ich nach dem Abendbrot mit Franz-Leopold, meinem zwölfjährigen Enkel, auf der Steirischen Harmonika spiele. Die Leute lieben das! Und danach laufen die Urlauber mit Fackeln zurück nach Stolberg. Oder wenn die Egerländer, Chöre oder Folkloregruppen auftreten."
So mancher prominente Gast, darunter Angela Wiedl, Gaby Albrecht, Johannes Rau, Eberhard Härtel oder Gotthilf Fischer, hat sich schon ins Gästebuch eingeschrieben. Hat die von Ehefrau Christel und Tochter Kathrin zubereitete Hausmannskost genossen, sich am gemütlichen Kachelofen aufgewärmt oder im Biergarten eine frische Bratwurst verzehrt. Neben Christel und Dieter Hohmann arbeiten Tochter und Schwiegersohn mit, in der Saison noch drei Angestellte. Ist Not am Mann, grillt Franz-Leopold die Würstchen.
"Als wir 1988 herkamen, gab's noch ein Plumsklo", erzählt der Wirt. Zu Beginn der 1990er Jahre wurden durch die Stadt ordentliche Toiletten gebaut, neue Wasser-, Storm- und Telefonleitungen gelegt. Sonst wären wohl die Gäste schnell ausgeblieben.
Das Haus, 1834 ebenso wie der ursprünglich hölzerne Doppelkreuzturm nach einem Entwurf von Baumeister Schinckel errichtet, steht unter Denkmalschutz. Anbauten sind tabu, nur im Inneren ist es inzwischen viel komfortabler geworden.
Es sei traumhaft schön am Josephskreuz - wie oft mögen das Hohmanns schon gehört haben! "Sicher, bei schönem Wetter", sagt der Wirt. Dass er aber nachts so manches Mal aufsteht und sämtliche Stecker zieht, weil derbe Gewitter im Anmarsch sind, im Winter morgens beizeiten die Zufahrt zum Auerberg und die Parkplätze räumt und streut und im Sommer Holz für den Kachelofen macht - das gehört eben auch zum "Leben auf dem Berg".
"Als damals Kyrill getobt hat, waren sämtliche Wege durch gebrochenes Holz versperrt, der Strom weg, die Telefonleitung tot und die Handynetze völlig überlastet. So was muss man auch durchstehen." Und dennoch, woanders als in ihrem "Bergstüb'l" und mit ihren vielen Besuchern würden sich die Hohmanns nie und nimmer so wohl fühlen.