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Hitzige Diskussion um Naturschutz Hitzige Diskussion um Naturschutz: Kelbraer Stausee auf dem Trockenen?

Von Karl-Heinz Klarner 19.10.2019, 09:00
Diskussionsrunde im „Kaiserhof“ in Kelbra
Diskussionsrunde im „Kaiserhof“ in Kelbra Klarner

Kelbra - Lärmend zieht eine Formation Kraniche am Himmel über Kelbra in Richtung Helmestausee. Währendessen tauchen dunkle Regenwolken auf. Die sieht am Freitagnachmittag auch Frank Gabriel. „Das ist das Ende von 20 Jahren Naturschutzarbeit an der Helme“, zieht der ehrenamtliche Geschäftsführer des Kreisanglervereins Sangerhausen sein Fazit zu der Veranstaltung über die künftige Bewirtschaftung des künstlichen Kyffhäusermeers.

Vor allem das kontrovers diskutierte Ablassen des Stausees sieht Gabriel als massiven Eingriff in das Ökosystem der angrenzenden Helme, der ein Fischsterben nach sich ziehen würde. Zweieinhalb Stunden haben Experten des Umweltministeriums, Natur- und Vogelschützer sowie Betroffene aus der Region die möglichen Auswirkungen des veränderten Bewirtschaftungsplanes an der Talsperre vorgestellt und debattiert.

200 Vogelarten am Stausee gezählt

Noch sind es Pläne, die in den kommenden Wochen und Monaten präzisiert und ergänzt werden sollen, betont Henning Wallbaum, Abteilungsleiter im Umweltministerium Sachsen-Anhalt und kündigte an, einige der Anregungen aus den Gesprächen in den kommenden Beratungsrunden zu berücksichtigen. Und in Richtung der Freizeit- und Tourismusvertreter macht er ein klare Ansage.

„Wir befüllen den Stausee, wir müssen das nicht“, sagte Wallbaum. Schließlich wurde die Talsperre vor 50 Jahren in erster Linie für den Hochwasserschutz gebaut. Heute steht an zweiter Stelle der Vogelschutz. Immerhin zählen Vogelkundler mittlerweile 200 verschiedene Vogelarten an dem Gewässer, darunter geschützte Schwarzhalstaucher und Kraniche.

Letztere nutzen den See und die Feuchtgebiete an der Landesgrenze Sachsen-Anhalt/Thüringen als Rastplatz. Bis zu 50.000 Tiere schlafen und erholen sich hier jährlich im Herbst auf ihrem Weg in Richtung Süden. Um ihnen die besten Bedingungen zu bieten, soll der Wasserspiegel in den Sommermonaten kontinuierlich abgesenkt werden, ohne Wasser nachzustauen.

„Der Vogelschutz ist primär zu bedienen“

Im Winter ist geplant, das Wasser sogar für vier Wochen komplett abzulassen. Für Gerhard Jarosz vom Landesanglerverband ein völliges Unding, schließlich ziehe das unwillkürlich ein Fischsterben nach sich. Darunter geschützter Arten wie Bachneunauge und Äschen, die im Flusslauf der Helme unterhalb des Stausees leben.

„Wenn Sie hier Gott spielen wollen, dann ist das eine Anmaßung“, sagte Jarosz. Angesichts dessen warf der Biologe Ulrich Kaiser dem Landesamt für Umweltschutz vor, mit dieser Praxis gegen das Bundesnaturschutzgesetz zu verstoßen. Doch das wies Urs Jäger, Abteilungsleiter im Ministerium, von sich. „Der Vogelschutz ist primär zu bedienen“, sagte Jäger.

Ferner regte Kaiser unter Beifall an, das Stauregime und die Bewirtschaftung beizubehalten und damit der Natur ihren Lauf zu lassen. Ansonsten verkomme der Stausee zu einer „Puppenstube selbstverliebter Naturschützer“.

„Es wird nicht dazu kommen, dass jeder seine Ziele erfüllt bekommt“, betonte Wallbaum abschließend und forderte von allen Beteiligten ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft. (mz)

In der Goldenen Aue sind wieder die Kraniche unterwegs.
In der Goldenen Aue sind wieder die Kraniche unterwegs.
Ulrich Reinboth