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Fahrradhersteller aus Sangerhausen Fahrradhersteller aus Sangerhausen: Mifa steckt in größeren finanziellen Schwierigkeiten als angenommen

15.05.2014, 08:23
Wie in der Autoindustrie werden Elektro-Räder im Mifa-Fahrradwerk in Sangerhausen am Fließband produziert.
Wie in der Autoindustrie werden Elektro-Räder im Mifa-Fahrradwerk in Sangerhausen am Fließband produziert. DPA Lizenz

Sangerhausen/dpa. - Die Mitteldeutschen Fahrradwerke (Mifa) warten erneut mit schlechten Nachrichten auf: Die Bilanzen des Fahrrad-Herstellers sind offenbar seit Jahren falsch. Wie das Unternehmen aus Sangerhausen mitteilte, haben Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt, dass die „Abschlüsse der Vorjahre wesentliche falsche Angaben enthalten“. Betroffen seien die Bilanzposten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Bereits am 20. März hatte die Mifa die Anleger mit der Nachricht geschockt, dass es im dritten und vierten Quartal 2013 zu Buchungsfehlern gekommen war. Laut eines Mifa-Sprecher ist weiter unklar, wie es zu den Bilanzfehlern kommen konnte.

Die Auswirkungen werden immer gravierender. So fällt 2013, wie das Unternehmen gestern mitteilte, ein Bilanzverlust von 28 Millionen Euro an. Dieser werde aber nicht die Liquidität belasten. Im vergangenen Jahr schrieb der Fahrradbauer, wie bereits im März angekündigt, einen Verlust von 15 Millionen Euro, der Umsatz lag bei 108 Millionen Euro.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse rechnet der Vorstand „für das erste Quartal 2014 nicht mehr mit einem ausgeglichenen Ergebnis“. Im März hieß es noch, dass der Millionenverlust das laufende Geschäft nicht beeinflusse. Mifa-Vorstand Hans-Peter Barth sprach damals von einer „sehr guten Auftragslage“. Die Aktienanleger reagierten gestern prompt: Die sich ohnehin im Tiefflug befindliche Mifa-Aktie verlor mehr als 45 Prozent. Der Kurs der Unternehmens-Anleihe ging ebenfalls in die Knie.

Mit 546 000 verkauften Fahrrädern im Jahr 2012 ist die Mifa der absatzstärkste Fahrrad-Hersteller Deutschlands. Für Aufsehen sorgte die Firma 2011, als AWD-Gründer Carsten Maschmeyer einstieg. Er und seine Familie sowie der frühere Vorstandschef Peter Wicht sind die größten Einzelaktionäre. Wicht schied wegen Krankheit im Frühjahr aus dem Amt aus. Mitte April hatte die Mifa ein Führungsduo berufen: Hans-Peter Barth und Stefan Weniger sollen das Unternehmen aus der Krise führen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young erstellt derzeit ein Sanierungsgutachten.

Weißer Ritter

Dass Mifa in argen Schwierigkeiten steckt, wurde spätestens Mitte April deutlich. Quasi über Nacht veräußerte die Firma eine Immobilie in Sangerhausen für 5,7 Millionen Euro an den Landkreis Mansfeld-Südharz, um diese anschließend zurückzumieten. Der Deal spülte frisches Geld in die Kasse. Der Landkreis war zu dem ungewöhnlichen Schritt bereit, da der Hersteller mit 770 Mitarbeitern ein wichtiges Unternehmen in der von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Region ist.

Nach MZ-Informationen laufen derzeit Gespräche mit Banken, um die finanzielle Situation zu stabilisieren. Als Weißer Ritter gilt der weltgrößte Fahrradhersteller Hero Cycles aus Indien. Hero hatte im März eine Absichtserklärung über eine Eigenkapitalbeteiligung in Höhe von 15 Millionen Euro unterzeichnet. Angestrebt wird eine umfassende Kooperation bei Einkauf und Produktentwicklung, besonders bei Elektrofahrrädern und Antrieben. Der Mifa-Vorstand versicherte gestern, dass Hero auch nach dem Bekanntwerden des Bilanzverlusts weiterhin eine „strategische Partnerschaft“ anstrebt.

Wie diese aussehen soll, darüber wird derzeit heftig spekuliert. Nach Medienberichten sollte Hero zunächst eine Beteiligung von 27 Prozent an Mifa angestrebt haben. Die „Süddeutsche Zeitung“ will diese Woche von Insidern erfahren haben, dass Hero nun die Mehrheit übernehmen will. Beim Blick auf den Aktienkurs wird deutlich, dass Hero jetzt für 15 Millionen Euro sicher mehr als nur ein Viertel der Anteile will.

Weitere Hintergründe zu Mifa unter: www.mz-web.de/mifa

Ein Mifa-Mitarbeiter montiert im Sangerhäuser Werk ein E-Bike.
Ein Mifa-Mitarbeiter montiert im Sangerhäuser Werk ein E-Bike.
dpa Lizenz