Essen in Kitas Essen in Kitas: Kein Schweinefleisch-Tabu in Mansfeld-Südharz

Sangerhausen/Eisleben/Hettstedt - Die Nachricht hat in Deutschland die Emotionen hochschlagen lassen: In Leipzig hat ein Träger zweier Kindertagesstätten den Eltern mitgeteilt, dass es in den Einrichtungen kein Schweinefleisch und keine Gummibärchen mehr geben werde - weil unter den 300 Kindern zwei Mädchen aus muslimischen Familien sind. Fromme Muslime essen kein Schweinefleisch, weil die Tiere in ihrer Religion als unrein gelten.
Nachdem die Bild-Zeitung als erste über den Fall berichtet und damit ein riesiges Medieninteresse ausgelöst hatte, ruderte der Kita-Leiter zurück. Das Thema soll nun vor Beginn des neuen Kindergartenjahres in der Elternvertretung besprochen werden.
Speisepläne enthalten vegetarische Alternativen
Wie halten es die Kindereinrichtungen in Mansfeld-Südharz mit der religiösen Essensfrage? Spielt sie im Alltag überhaupt eine Rolle? „Schon, aber nur in einer sehr entspannten Form", erklärt Ines Scheideck, die Leiterin der Fröbel-Kita in Sangerhausen. Dort gibt es in jeder Gruppe „vielleicht ein bis drei Kinder aus Migrantenfamilien“, schätzt sie.
Steht ein Gericht mit Schweinefleisch auf dem Speiseplan, dann werde für Kinder, die das nicht essen, eine vegetarische Variante angeboten. Auch beim Frühstück und Vesper ist, wenn es Wurst gibt, immer eine Geflügelvariante dabei. „Das wird in der Küche mit kleinen Schildchen gekennzeichnet, so dass die Erzieherinnen Bescheid wissen“, erklärt Scheideck. Das Ganze laufe ganz unkompliziert.
Was man sich abgewöhnt hat: Bei gemeinsamen Festen mit den Eltern Geflügelwürstchen anzubieten. „Die werden nicht genommen, sie essen dann lieber gleich etwas Vegetarisches, um sicher zu sein“, erzählt Scheideck.
Viele Eltern wollen keine Sonderbehandlung ihrer Kinder
Auf die Idee, christliche Feste umzubenennen oder ganz vom Plan zu streichen, würde man nie kommen. „Wir haben da gute Gespräche mit den Eltern aus anderen Religionen, die wollen gar nicht, dass ihr Kind anders behandelt wird. Im Gegenteil, sie sollen natürlich bei den Feiern mit dabei sein, weil es ein schöner Tag ist“, berichtet Scheideck. Es gebe sogar muslimische Familien, in denen es auch zu Weihnachten Geschenke gibt - weil sich die Kinder so freuen.
Auch im Jugendzentrum Süd-West in Sangerhausen, wo etliche Kinder aus muslimischen Familien die Freizeitangebote wahrnehmen, ist ein Schweinefleisch-Verzicht kein Thema. „Warum sollte man das machen? Darauf kommt hier keiner“, sagt Mitarbeiterin Andrea Jenß. Dass mancher kein Schwein esse sei normal, es möge ja auch nicht jeder Rind oder Lamm.
Deshalb gibt es für die Sandwiches, die als Imbiss angeboten werden, auch eine Variante mit Geflügelsalami. Wenn gemeinsam gekocht wird, dann kommen halt Geflügelwürstchen in die Tomatensoße. Und die Gummibärchen gibt es in gelatinefreier Veggie-Variante.
Schweinefleisch gehört zu den Favoriten der Kinder
Auch in der Kita „Rappelkiste“ im Arnsteiner Ortsteil Quenstedt ist die Diskussion um das Schweinefleischverbot bekannt. „Aber sowas ist bei uns kein Thema. Bei uns sind auch keine Kinder, die besondere Speisen wollen oder brauchen“, sagt Leiterin Claudia Fritz.
Ganz streichen vom Speiseplan würde Fritz das Schweinefleisch nicht. Gehöre es bei den Kindern doch zu den beliebten Gerichten. Aus der Erfahrung weiß Fritz zu berichten, dass vor allem Schnitzel und Nudeln mit Wurstgulasch die Favoriten vieler Kinder sind. Mit drei Menüs, die der Lieferant - der Menü Express aus Meisdorf - zur Verfügung stellt, hätten die Kinder außerdem immer eine Auswahl, ergänzt Fritz.
Selbst laktosefreie Gerichte würden auf Wunsch hergestellt werden. „Da ist für jeden das Passende dabei. Wir gehen die Angebote auch im Vorfeld mit den Kindern durch und suchen gemeinsam das Essen aus“, sagt Fritz. Für die Eltern hängt außerdem ein Essensplan für den gesamten Monat aus, damit auch diese einen Überblick über die Angebote und Lebensmittel haben.
Unterschiede zwischen Stadt und Land
Die Volksküche in Eisleben beliefert rund 30 Kitas im gesamten Landkreis. Geschäftsführer John-Daniel Heller hat die Diskussion über das zwischenzeitliche Schweinefleisch-Verbot in Leipzig mitbekommen. Eine sinkende Nachfrage nach Schweinefleisch im Landkreis sehe er nicht. „Bei unseren Kunden in Mansfeld-Südharz ist Fleisch sehr beliebt, hier interessiert man sich nicht so sehr für die vegetarische Variante“, sagt er.
Ein Drittel der Kunden seien Kitas, ein weiteres Drittel Schulen und der Rest Erwachsene, schildert Heller. „Jeder hat bei uns die Wahl, auch ein Gericht ohne Fleisch nehmen zu können“, so Heller. Es gebe jeden Tag drei Menülinien, darunter eine fleischlose. „Da gibt es keine Probleme.“
Gewiss gebe es allerdings Unterschiede zwischen Städten wie Halle und Magdeburg sowie der Bevölkerung in eher ländlichen Gebieten. „In Halle zum Beispiel ist vegetarisches Essen klar im Kommen.“ Generell halte Heller es für wenig sinnvoll, Schweinefleisch komplett zu verbieten. Es zähle neben Huhn zu den beliebtesten Fleischsorten.
Neben Mittagessen bietet die Volksküche auch Frühstück an. „Hier gibt es allerdings schon den Trend, weniger Aufschnitt zu bestellen und dafür mehr Käse.“ (mz)