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Des Kaisers Hofschneiderin Des Kaisers Hofschneiderin: Franziska Weber näht historische Mode im Stil des Mittelalters

Von Lucas Wölbing 17.02.2015, 13:26
Franziska Weber bei der Arbeit in ihrem Atelier in Kelbra
Franziska Weber bei der Arbeit in ihrem Atelier in Kelbra MAIK SCHUMANN Lizenz

Kelbra - Man stelle sich vor, Kaiser Otto und seine Adelheid würden in heutiger Zeit durch Kelbra spazieren. Sicherlich würden sie einen Abstecher zum Kyffhäuser wagen und wahrscheinlich würden sie auch die Reste der alten Stadtmauer bestaunen. Doch in der Langen Straße würde die Kaiserin womöglich einen ganz bestimmten Laden besuchen.

Dort drinnen würde sie dann auf Franziska Weber treffen, die gerade ihre Nadel über einen minzgrünen Stoff mit Stickereien wandern lässt und sich zwischen unzähligen Kleidern und Kopfbedeckungen zum Arbeiten niedergelassen hatte. Die Schneiderin hätte garantiert kein Problem, die modischen Wünsche Ihrer Majestät zu erfüllen.

Immerhin kann sie, wenn es ums Mittelalter geht, auf genügend Erfahrung zurückgreifen. „Vor etwa fünfzehn Jahren habe ich angefangen, mich auf historische Kleidung zu spezialisieren“, verrät die 48-jährige, die in ihrem „Nähstübchen“ auch moderne Alltagskleidung und künstlerische Designs anbietet. Eigentlich, so sagt sie, fasziniert diese Epoche sie schon seit ihrer Kindheit. Das Mittelalter ist für sie mehr als ein bloßes Hobby, dem sie ab und zu ein paar Stunden Zeit schenkt.

Eine Art Lebensphilosophie

„Ich bin jemand, der hier aufgewachsen ist, und der seine Heimat liebt“, sagt sie. „Da gehört für mich diese Geschichte einfach dazu. Es gibt so viele Werte aus dieser Zeit, die meiner Meinung nach heute verloren gegangen sind, und ich glaube Mittelalter ist für mich eine Art Lebensphilosophie, die sich auch in meiner Arbeit widerspiegelt.“

Besonders die Zeit der Ottonen, das neunte Jahrhundert, hat es der Kelbraerin angetan. Doch wenn sie Kleider aus dieser Epoche anfertigt, greift sie nicht etwa auf exklusive Stoffe wie Brokat und Seide zurück. Oft sind es ganz einfache Materialien, die der gelernten Herrenschneiderin in die Hände fallen.

Zur Zeit Kaiser Ottos des Großen trugen die Herren meist knielange Tuniken. Trotz ihrer reichen Bestickung waren die Gewänder oft in schlichten Naturfarben gehalten. Verheiratete Damen bedeckten ihre Köpfe mit Schleiern aus Leinen.

Mit der Hochzeit zwischen Kaiser Otto II. und der oströmischen Prinzessin Theophanu kam es zum Stilbruch am kaiserlichen Hof. Die Mode wurde zunehmend farbenfroher und exotischer. Die von Theophanu geliebten Perlen Seide und Perlen zierten zierten jetzt die kleider. Hinzu kamen noch kunstvollere Stickereien als bisher, die von der östlichen Mode inspiriert waren.

Die Kaiserin avancierte schnell zur „Stilikone“ und ihr exotischer Stil bestimmte die Mode am Hof. Sie selbst ließ ihre Kleider aus teurer Seide anfertigen. (iwö)

„Einige meiner Kleider waren zuerst Vorhänge“, gibt sie lächelnd zu. „Die erzählen dann oft schon von ganz allein eine Geschichte, aber wenn ich sie sehe, weiß ich schon, was ich daraus machen könnte.“ Meist sind es dann auch höfische Gewänder, die sie mit ihrer flinken Nadel zaubert, denn Franziska Weber weiß: Frauen wollen gern Prinzessin sein und mit ihrer Mode sollen sie diesen alten, ottonischen Adel auch leben können.

Mode für Mittelalter-Märkte

Selbst fühlt sich die Schneiderin jedoch oft hin und hergerissen, zwischen der von ihr verehrten höfischen Kultur und dem schlichten Lagerleben, das ihr Mann und sie auf Mittelalter-Märkten so lieben. „Was ich nähe, ist natürlich sehr edel und fürstlich“, meint sie. „Einer Edeldame würde es schon gerecht werden, und auch ich schlüpfe gern in eines meiner Kleider. Aber wenn wir unterwegs sind, mag ich es auch ganz einfach im Zelt zwischen Fellen und Öllampen“ Trotzdem wäre das Kleid, das die 48-Jährige am liebsten trägt einer Kaiserin Adelheid würdig: Dunkelbraun, Stickereien an Kragen und Ärmeln, ein nordisch anmutendes Muster ziert den Saum.

„Das gehört schon zu den Kreationen, auf die ich besonders stolz bin“, sagt sie. Doch Franziska Weber näht nicht nur für die ottonische Dame von Welt. Auch für Herren hätte sie bei Bedarf die passende Gewandung parat, die sie auch dem Kaiser präsentieren könnte: „Bei Männern und Mittelalter-Kleidung ist das immer so eine Sache“, findet die Kelbraerin. „Es muss nicht immer alles nur braun und grau sein. Da können die Herren ruhig mehr Mut zur Farbe zeigen.“ (mz)

Blick auf die Utensilien der Schneiderin
Blick auf die Utensilien der Schneiderin
MAIK SCHUMANN Lizenz