Brauchtum Brauchtum: Erbsbären tanzten in Helmegemeinden
Niederröblingen/MZ. - An Ausschlafen war am Sonntag in Niederröblingen nicht zu denken. Bereits im ersten Morgengrauen stand das Bärenteam in den Startlöchern. Heute entschied sich, wer in diesem Jahr als Erbsbär eingekleidet werden sollte. Bis zu dieser frühen Stunde war es das bestbehütete Geheimnis in der ehemaligen Bergarbeitergemeinde.
Am frühen Vormittag hatte die lustige Gesellschaft die notorischen Langschläfer mit Pauken und Trompeten aus den Federn geholt. Und so strömten jetzt die Niederröblinger, ihre Gäste und das Umzugsvolk zum Treffpunkt an der Brücke. Hier startet in jedem Jahr der Erbsbärumzug. Die Zeiger der Uhr kündeten von der zehnten Stunde. Mit dem Glockenschlag setzte sich das fidele Völkchen in Bewegung. Es zog von Haus zu Haus. Die ersten Stationen waren die Familien Meye. Der Bärenführer Henrik Lange hielt zum ersten Mal die blank gescheuerte Kette energisch in den Händen. Teilweise musste er ganz schön an der dicken Kette zerren, ehe er das Zotteltier zum Stehen brachte. Der Bär schien im Stimmbruch zu sein. Denn mit dem Brummen wollte es nicht so recht klappen. Dagegen hatte er schnell die wenigen Standard-Tanzschritte begriffen. Vor jedem Haus führte er sie behäbig in einer Art Zeitlupeneinstellung vor.
Mit Stimmungsmusik marschierte die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr aus Oberröblingen vorweg. Beim ersten Halt spielte sie das bekannte Lied "Glück auf". Hinter den Musikern schlängelte sich der Umzug wie ein Lindwurm durch die Straßen und Gassen. "Bei dieser Tour klappern wir alle Haushalte ab", erklärte der Vorsitzende des Kultur- und Traditionsvereins, Hartmut Koch. Mit im Gefolge waren die Eiermuhme, der Wurststeppelmann und die Bajazzos. Die fuchtelten gar heftig mit ihren Holzpritschen herum und erschreckten die Leute. "Diese Geräte haben bei uns eine große Tradition", so Hartmut Koch mit herzlichem Dank an Hartmut Krempeler, der die Holzgeräte anfertigt.
Auf die Spendenbereitschaft angesprochen, schätzte der Vorsitzende ein, dass sich das Verhalten der Einwohner verändert hat. Während früher überwiegend "Fressereien" in Form von Eiern und runden Bratwürsten gegeben wurden, knistern heute mehr die Geldscheine in der Schatztruhe - klimpern die blanken Taler in der Lade. Doch zurück zum Umzug. Während sich die Begleitung des Bären bei den winterlichen Temperaturen rote Nasen holte, lief bei Danny Patrovsky unter der Strohmaskerade der Schweiß in Strömen. Bis zur Erlösung auf dem Saal musste der Bär noch in seinem Kostüm aushalten. Die Hitze darunter war jetzt fast unerträglich. Das Strohgeflecht klebte seit gut drei Stunden auf seinem Körper. Es wurde höchste Zeit, dass er davon befreit wurde. Erst jetzt, bei der Demaskierung, erfuhren die Niederröblinger, wer in diesem Jahr die Ehre hatte, als Erbsbär durch die Gemeinde zu ziehen.
Minutiös wurde dieser Trubel von einer Videokamera festgehalten. In 14 Tagen erfolgt die öffentliche Aufführung des Dokumentes. Dann rollt das ganze Geschehen erneut auf dem Bildschirm vorbei.
Der Erbsbärumzug und der Faschingstanz sind nicht die einzigen Aktivitäten des 35 Mitglieder zählenden Niederröblinger Vereins. Sie machen sich stark, wenn zu Pfingsten zum Burschentanz eingeladen wird. Sie knüpfen zu anderen Vereinen des Ortes die Kontakte und stellen weitere kulturelle Höhepunkte im Dorfleben auf die Beine. Dazu gehören das Sommer- und Sportfest sowie die traditionelle Kirmes im November. Aber jetzt wurde erstmal das Ritual des Erbsbären nach alten Traditionen weitergeführt, das überlieferte Volksgut dadurch erhalten.
Bereits am Samstag zerrte in Oberröblingen der Erbsbär an den Ketten. Auch er war vollständig in das Naturmaterial gehüllt. Lediglich sein Gesicht war frei. Wohlgeordnet reihten sich die kostümierten Figuren in den Umzug durch die Helmegemeinde ein.