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Gefährlicher Weidezaun im Harz Wildtier-Tod bei Ballenstedt: Jäger spricht von Totalversagen

Die Diskussion über den kilometerlangen Weidezaun am Schierberg im Ballenstedter Ortsteil Rieder geht weiter. Der Vorsitzende der Jagdgenossenschaft Ballenstedt hält die Baukosten für 200.000 Euro für Geldverschwendung und erhebt noch mehr Vorwürfe.

Von Rita Kunze Aktualisiert: 20.08.2024, 09:26
Wildtiere können durch den Weidezaun bei Rieder nur noch schwer andere Gebiete erreichen.
Wildtiere können durch den Weidezaun bei Rieder nur noch schwer andere Gebiete erreichen. Symbolfoto: dpa

Ballenstedt/MZ. - Bis zu den Gegensteinen hat es Karl-Friedrich Kaufmann nicht weit. Der Ballenstedter ist verärgert über das, was seit Monaten in dem Naturschutzgebiet passiert. Wie viele andere fühlt er sich überrumpelt.

Der dort vom Landesamt für Umweltschutz über mehrere Kilometer aufgestellte Maschendrahtzaun zur Erleichterung der Schafbeweidung wird für Einwohner zum roten Tuch, erst recht, nachdem sich in der vergangenen Woche ein Rehkitz in dem Drahtgeflecht verfangen hatte und qualvoll gestorben ist.

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Kaufmann, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Ballenstedt und Jagdpächter, nennt den für rund 200.000 Euro installierten Weidezaun eine Fehlinvestition, die über die Köpfe von Einwohnern, Grundstückseigentümern und Jägern hinweg entschieden wurde: „Er gehört da eigentlich nicht hin. Man hätte das Geld nehmen können und eine Person vergüten, die der Schäferin hilft.“

Vorwurf: Zaunbau wurde vom Land „übergestülpt“

In seinen Augen hat das Landesverwaltungsamt „total versagt in der Kommunikation“: „Es ist in Rieder nicht abgestimmt worden, wo Wilddurchlässe hinkommen. Ohne die Jäger in Rieder zu fragen, ohne die Anwohner zu fragen - das ist übergestülpt.“ Er betont: „Die Wildwechsel müssen bleiben. Sie sind angestammt, vererbt: Über Generationen zieht das Wild im Frühjahr vom Wald in die Feldflur und im Herbst zurück.“

Während in den sozialen Netzwerken die Arbeit der Schäferin, die das unter europäischem Schutz stehende Gelände um die Gegensteine mehr als ein Jahrzehnt lang beweidet und gepflegt hat, durchaus auch in Zweifel gezogen wird, sieht Kaufmann die Sache anders: „Ich ziehe immer wieder den Hut vor der Schäferin: Was sie bisher in der Landschaftspflege gemacht hat ...“ Im vergangenen Jahr habe sie gefragt, ob die Jagdpächter etwas dagegen hätten, wenn an den Gegensteinen ein stationärer Zaun gebaut werde.

Über Generationen zieht das Wild im Frühjahr vom Wald in die Feldflur und im Herbst zurück.

Karl-Friedrich Kaufmann, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Ballenstedt

Die Jagdpächter hatten keine Einwände, schildert Kaufmann: Das Gebiet sei jagdlich uninteressant, werde stark von Urlaubern frequentiert. „Dann kam das Landesverwaltungsamt mit der Strecke in Ballenstedt, am Steinberg. Wir haben die Aktion, einen Zaun in die Landschaft zu stellen, nicht mit Hurra aufgenommen. Aber wir haben uns geeinigt, dass Durchlässe fürs Rehwild, Schwarzwild, dass die Fernwechsel kommen.“

Abgestimmt: Hier sind die Wilddurchlässe 20 Meter breit

Zugleich sei 2023 gesagt worden, dass ein Zaun in Rieder erst ab Sommer 2024 ein Thema wäre. Doch dann stand er Ende vergangenen Jahres da. „Wir haben uns zurückgenommen, zwar argumentiert, aber man hat den Riederschen was vor die Tür gesetzt, was für meine Begriffe nicht haltbar ist. Und ohne das mit den Betroffenen intensiv zu besprechen.“

In Ballenstedt sehe das anders aus. Bei der Breite des Wilddurchlasses habe man sich auf 20 Meter geeinigt, am Steinberg gebe es vier Durchlässe von jeweils 20 Meter, einer sei 40 Meter breit. „Das sind angestammte Wildwechsel, wo das Wild vom Wald in die Feldflur wechselt: das Schwarzwild, das Rehwild, wo wir noch viel Muffelwild haben, auch das.“

Im Altkreis Quedlinburg weideten jährlich rund 12.000 Schafe

Dass in der Region - anders alsheute - einmal weit mehr als ein paar hundert Schafe unterwegs waren, weiß der Ballenstedter noch gut: „Wir hatten früher im Altkreis Quedlinburg im Jahresdurchschnitt 12.000 Schafe: Hier am Gegenstein wurde alles gehütet, in Badeborn standen 1.500 Schafe, in Asmusstedt standen 400 Schafe, in Ballenstedt 400. Die Landschaftspflege war gesichert. Aber was haben wir denn nun noch? Jedes Schaf ist herzlich willkommen im Interesse der Landschaftspflege“, sagt er. „Aber man kriegt es sicher auch anders hin, wo man mit Technik etwas machen kann.“

Weidezäune werden auch anderswo in Deutschland in Schutzgebieten zur Erleichterung der Landschaftspflege mit Schafen eingesetzt. Im Eichenhain bei Stuttgart etwa, dort aber wurden statt eines Maschendrahtzauns fünf Stahlseile gespannt.