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Weggezogen - nun gibt es Gerichtstage

Von RITA KUNZE 11.09.2009, 16:47

HALBERSTADT/MZ. - Seit 1. Juni hat Halberstadt auch kein Arbeitsgericht mehr. Es wurde dem Arbeitsgericht Magdeburg "zugelegt", heißt es im Fachdeutsch.

Für die Region bedeutet dies, dass in Halberstadt künftig ein Gerichtstag abgehalten und eine Rechtsantragsstelle eingerichtet wird. Die hat ihren Sitz im Amtsgericht Halberstadt. Wer nun ein arbeitsrechtliches Problem hat, muss zwar nicht unbedingt längere Wege, womöglich aber längere Fristen in Kauf nehmen.

Ob sich die Erledigungsfristen am Arbeitsgericht Magdeburg durch die Übernahme der Verfahren vom Arbeitsgericht Halberstadt verlängern, dazu liegen laut Ute Albersmann, Sprecherin des Justizministeriums, aufgrund des kurzen Zeitabstands seit der Auflösung des Arbeitsgerichts Halberstadt noch keine verwertbaren Daten vor. Jedoch ein bereits zum jetzigen Zeitpunkt messbarer Effekt ist die Ersparnis an Mietkosten für die aufgegebene Liegenschaft des Arbeitsgerichts Halberstadt.

Im Amtsgericht Halberstadt stehen Räume für eine Rechtsantragsstelle und ein Saal für Verhandlungen zur Verfügung, für die keine gesonderten Aufwendungen erbracht werden müssen, weil es eine landeseigene Liegenschaft sei.

Rund 500 laufende Verfahren wurden von Halberstadt nach Magdeburg übergeben und auf die dortigen Kammern verteilt, sagt Frank Böger, Sprecher des Landesarbeitsgerichtes Halle und auch für Magdeburg zuständig. "Alles muss neu terminiert werden", sagt er - entweder für eine so genannte Güteverhandlung oder zur Kammerverhandlung, wenn sich die Parteien zuvor in der Güteverhandlung nicht einigen konnten.

Länger warten soll deswegen niemand müssen: "Die Kammern haben Vorkehrungen getroffen", so der Sprecher, "es wurden Termintage freigehalten, um Halberstädter Verfahren einzuschieben." Derzeit neun Richter sollen sich damit in Magdeburg befassen; in Halberstadt seien zuvor zwei Richterinnen damit beschäftigt gewesen. Die seien jedoch nicht ans Magdeburger Arbeitsgericht gewechselt, sondern ans in Magdeburg ansässige Sozialgericht - "der Bedarf ist dort wegen Hartz IV noch größer" - und an ein Amtsgericht. "Die vorhandenen Richter in Magdeburg können den Bedarf von Halberstadt abfangen", so Frank Böger. Und sie sollen einen Gerichtstag in Halberstadt abhalten, bei dem alle Halberstädter Verfahren zusammengefasst und an einem Tag verhandelt werden.

Wegen der Übernahme der rund 500 Halberstädter Verfahren habe man auch für personelle Verstärkung gesorgt, erklärt der Gerichtssprecher - und konkretisiert, dass es sich dabei um eine befristet abgeorderte Schreibkraft handelt. Anhaltspunkte dafür, dass die Richter am Arbeitsgericht Magdeburg die zusätzlichen Fälle nicht "schaffen" könnten, liegen laut Justizministerium nicht vor. "Die Personalbelastung nach tatsächlichem Einsatz liegt beim Arbeitsgericht Magdeburg bei nahezu 100 Prozent. Vor der Auflösung des Arbeitsgerichts Halberstadt ist das Arbeitsgericht Magdeburg unterdurchschnittlich belastet gewesen, so dass den Richtern des Arbeitsgerichts Magdeburg auch die Zuständigkeit für die Verfahren des früheren Gerichtsbezirks des Arbeitsgerichts Halberstadt übertragen werden konnte."

Eine bürgerfreundliche Regelung seien derweil die Beratungszeiten in der Rechtsantragsstelle. Sie wurden von vormals etwa zehn auf nunmehr 18 Stunden in der Woche erweitert. Montags bis freitags von neun bis zwölf und zusätzlich dienstags von zwei bis fünf Uhr nachmittags können Bürger dort ihre Klagen kostenlos aufgeben, sagt Böger. "Bei einem ordentlichen Gericht muss man einen Prozesskostenvorschuss zahlen, hier nicht."

Dennoch könnten höhere Kosten auf die Kläger zukommen, wenn deren Anwälte nun nach Magdeburg statt nach Halberstadt fahren müssen. Die Sprecherin des Justizministeriums stellt klar: "Die Verfahren werden für die Parteien nicht teurer. Verfahren mit Beteiligten aus dem Raum Halberstadt werden grundsätzlich im Rahmen von Gerichtstagen in Halberstadt verhandelt. Dadurch entfallen höhere Reisekosten für die Parteien."

Dass jemand aus Kostengründen von einer Klage absieht, ist für Frank Böger nicht zwingend: "Man sollte sich wegen der Kosten nicht davon abschrecken lassen, einen Prozess zu führen. Die Chancen, Prozesskostenhilfe zu bekommen, sind durchaus gegeben, zumal sich viele Kosten abziehen lassen - beispielsweise Steuern und Sozialversicherung bis hin zu Darlehenskosten, wenn etwa vor kurzem ein Auto gekauft wurde, das man für den Weg zur Arbeit braucht." Ob der Autokredit allerdings berücksichtigt wird, darüber hat letzten Endes der Richter zu befinden.