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Bundesweiter Tafel-Tag 2025 Warme Suppe in Quedlinburg verteilt: Tafeln setzen Zeichen gegen Armut

Die Harzer Tafeln verteilen auf dem Quedlinburger Markt 250 Portionen Suppe an Passanten. Sie wollen aufmerksam machen auf ein gesellschaftliches Problem, das immer größer wird.

Von Rita Kunze 06.10.2025, 06:00
Mitarbeiter der Harzer Tafeln suchen auf dem Markt in Quedlinburg das Gespräch mit Passanten und laden zu einer Schale Suppe ein.
Mitarbeiter der Harzer Tafeln suchen auf dem Markt in Quedlinburg das Gespräch mit Passanten und laden zu einer Schale Suppe ein. Foto: Kunze

Quedlinburg/MZ. - Die warme Suppe kommt dem Paar mittleren Alters gerade recht: Die beiden sind am nasskalten Samstagvormittag in Quedlinburg unterwegs und nehmen die Einladung der Harzer Tafel zu einem kostenfreien Essen gern an.

Mehr als 250 Portionen Linseneintopf, zubereitet und gespendet von der „BesserEssen“ GmbH im Quedlinburger Rambergweg, gibt es zu verteilen. „Mit der „Langen Tafel“ möchten wir sichtbar machen, wie wichtig Solidarität, Lebensmittelrettung und das Engagement vieler Ehrenamtlicher sind“, erklärt Tafel-Koordinator Andreas Knospe, warum der Verein auf dem Markt präsent ist. Der 4. Oktober ist bundesweiter Tafel-Tag.

„Im Moment ist es so, dass die Lebensmittelspenden zurückgehen. Das hat sich über Jahre abgezeichnet, dass es immer weniger wird. Gleichzeitig melden sich fast täglich neue Kunden bei uns an“, sagt Knospe. Die Inflation zeigt sich in den Geldbeuteln der Leute, erklärt Sachsen-Anhalts Tafel-Vorsitzender Kai-Gerrit Bädje.

Tafel-Helferin Simone Rach verteilt Suppe an Passanten.
Tafel-Helferin Simone Rach verteilt Suppe an Passanten.
Foto: Kunze

Derzeit werden im Landkreis Harz rund 1.000 Haushalte mit Lebensmittelspenden der Tafel unterstützt; das sind etwa 2.000 Personen, davon 350 Kinder. „Der größte Teil sind Menschen, die Bürgergeld bekommen oder niedrige Renten haben. Das sind auch ganz viele Alleinerziehende“, so Knospe. Alle zwei Wochen können sie sich mit Lebensmitteln in den insgesamt zehn Ausgabestellen versorgen.

Die sind vor allem im Altkreis Quedlinburg nahezu flächendeckend eingerichtet; es gibt sie in Quedlinburg, Bad Suderode, Ballenstedt, Harzgerode, Hausneindorf und Thale. Ausgabestellen gibt es ebenso in Halberstadt, Blankenburg, Osterwieck und Wernigerode.

Sie alle werden vom Hauptlager in Quedlinburg aus beliefert. „Der Bedarf ist überall ähnlich“, sagt Knospe. Am häufigsten gespendet werden Obst, Gemüse und Molkereiprodukte, „nach Ostern und Weihnachten gibt es auch viele Süßigkeiten.“

Sortiert und für die Ausgabe in Tüten gepackt werden die Spenden von Helferinnen wie Simone Rach. Seit acht Jahren ist sie dabei, Sammeltouren führen sie quer durch den Harz überall dorthin, wo Lebensmittelhändler etwas spenden. „Mal ist das Auto richtig voll, mal sind nur ein paar Kisten drin. Aber alles, was wir bekommen, hilft, und wenn es noch so wenig ist.“

Der Bedarf ist groß, das sieht auch Renate Kühne. Die 70-Jährige hilft in der Ausgabestelle in Quedlinburg und fährt mit zu den Ausgabestellen in Halberstadt und Thale: „Wenn wir in Thale ankommen, stehen dort schon rund 40 Leute vor der Tür.“

Mit den Spenden der Discounter und Supermärkte allein könnte der Bedarf nicht gedeckt werden, sagt Andreas Knospe. In einem Lager in Hohenerxleben werden Spenden direkt von den Herstellern gesammelt, „Da geht's dann um Paletten“. Von dort werden die Spenden auf die Tafeln im Land verteilt, „Damit können wir das ganz gut auffangen“, so Knospe weiter.

Die Tafeln unterstützen Bedürftige bei der Versorgung mit Lebensmitteln und verstehen sich als Lebensmittel-Retter. Mittlerweile tragen die Lebensmittelhändler selbst dafür Sorge, dass nicht so viele Lebensmittel verschwendet oder vernichtet werden. „Das schlägt natürlich auch bei uns auf, und insofern sind wir als Tafeln dabei zu gucken, wie wir anderweitig Lebensmittel bekommen“, sagt Kai-Gerrit Bädje.

Und das bedeutet: direkt vom Hersteller, etwa durch die „Allianz für Lebensmittelrettung“. Lebensmittel, die etwa wegen Lager- oder Etikettierungsschäden nicht mehr verkauft werden können und direkt vernichtet würden, obwohl sie noch gut sind, könnten den Tafeln übergeben werden. „Es gibt ein gutes Argument, das zu tun“, so Bädje, „das Vernichten von Lebensmitteln kostet richtig viel Geld. Uns unser Argument ist: Gebt es uns, und ihr bekommt eine Spendenquittung dafür. Das ist dann für beide Seiten ein echter Gewinn.“ Das werde das Modell der Zukunft sein, immer mehr Landesverbände steigen mit ein, auch die Tafeln Sachsen-Anhalt.

INFOBOX: Neue Initiative zur Lebensmittelrettung in Deutschland

Die Allianz für Lebensmittelrettung ist eine gemeinsame Initiative von Tafeln Deutschland und Dachser Food Logistics. Ich denke, im nächsten Jahr werden wir das bundesweit geschafft haben, mit Dachser und unseren Akquisiteuren bei jedem Lebensmittelhändler bzw. -produzenten um Spenden zu werben“, schätzt Sachsen-Anhalts Tafel-Vorsitzender Kai-Gerrit Bädje.

In Hessen habe das Projekt im Frühjahr begonnen - mit einer überraschenden Erkenntnis: Innerhalb von zwei Monaten hätten der Tafel Sachsen-Anhalt genau so viel Lebensmittel bereitgestellt werden können wie im ganzen Jahr 2024. „Das ist nur ein Landesverband gewesen, der akquirieren gegangen ist“, betont Bädje. Zwar gebe es in Hessen viele Lebensmittelproduzenten, aber auch in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gebe es viele Hersteller. „So versuchen wir gerade, unsere Akquisition zu verändern und die Lebensmittel am Ende bundesweit zu verteilen.“ Dachser transportiere die gespendeten Lebensmittel dann bundesweit zum Selbstkostenpreis.