Traditionsbetrieb Traditionsbetrieb: Halberstädter Würstchen in Gefahr

Halberstadt/MZ - Erweckte die Halberstädter Würstchen- und Konservenfabrik GmbH & Co. KG im Mai noch den Eindruck, dass sie sich in ruhigem Fahrwasser befände und jährlich rund sieben Millionen Gläser und fünf Millionen Dosen mit Würstchen sowie weitere traditionell hergestellte Fertiggerichte produziere, schieben sich nun dunkle Wolken über dem Standort zusammen. „Die Lage ist ernst, aber bei uns sind die Betriebstore nicht dicht“, redet Geschäftsführerin Silke Erdmann-Nitsch Klartext. „Auch der alte Heine hat mal nicht produziert. Es gab gute und schlechte Jahre. Momentan befinden wir uns nicht im besten.“ Sie fügt erklärend an: „Wenn in den vergangenen Wochen nicht gearbeitet worden ist, hängt das mit den planmäßigen Betriebsferien zusammen.“ Auch der Lohn sei normal gezahlt worden.
Spürbare Einschnitte
Eines der fünf großen deutschen Handelsunternehmen strich 27 von 37 Halberstädter Produkten von der Einkaufsliste, kaufmännisch ist das die Hälfte des dort abgewickelten Geschäfts, rechnet die Geschäftsführerin vor. „Das geht nicht spurlos an uns vorbei. Aus unserem Ansinnen, Kurzarbeit anzustreben, wurde nichts. Nun müssen wir unseren Personalbestand verschlanken. Die Gespräche werden nicht leicht.“ Die Mitarbeiterzahl wird dem Umsatz angepasst. „Das bedeutet eine um 15 Prozent reduzierte Belegschaft, alles langgediente Halko-Mitarbeiter“, so die Chefin. 17 Arbeitsplätze in der Produktion, die ersatzlos gestrichen und nicht durch schlecht bezahlte Mitarbeiter aus Osteuropa ersetzt werden.
Laut Marktforschungsunternehmen A. C. Nielsen ist die Traditionsfirma im ersten Quartal 2013 bei Würstchen im Naturdarm mit knapp unter 30 Prozent im Osten zwar Marktführer, bundesweit aber liegen sie mit 4,2 Prozent auf Rang sechs.
Erstklassig
„Es ist paradox, gerade unsere Suppen, die der Käufer bisher sehr schätzte, wurden ausgelistet. Ich bin am Mittwoch mit meinem 75-jährigen Vater bei den Chef-Einkäufern gewesen, um zu verhandeln.“ Das zeigte nicht sofort Ergebnisse. „Aber wenn ich vor zehn Türen stehe, geht eine auf.“ Darauf wartet das Unternehmen nicht mit den Händen in den Taschen. „Gerade sind wir dabei, unser Paket für die Anuga Anfang Oktober zu schnüren. Bei der weltgrößten Fleischmesse stellen wir im Fertiggerichte-Bereich neu entwickelte, moderne Produkte vor“, ergänzt Marketing-Chef Markus Prause. Silke Erdmann-Nitsch stellt klar: „Wir rücken von unseren hohen Qualitätsansprüchen nicht ab. Dass wir im Werk langjährige Fachkräfte beschäftigen, wollen die Großhändler nicht hören.“ Wohl auch nicht, dass nur erstklassiges Fleisch gekauft wird und die Tiere auch selbst zerlegt werden. „Nur beim nächsten Lebensmittel-Skandal hören wir wieder scheinheilige Aufschreie.“ Die Geschäftsführerin fordert ein Umdenken bei der Bevölkerung. „Qualität hat ihren Preis, das ist keine Binsenweisheit. Der Kaminrauch ist der Schatz unserer Marke Halberstädter.
Das schmeckt man. Mit Industrierauch geht es billiger, mit Gastarbeitern für drei Euro die Stunde, die in Wohnhöhlen hausen, auch. Wir beschäftigen 159 langjährige Mitarbeiter, die nach einem mit der Gewerkschaft ausgehandelten Haustarif bezahlt werden.“