Tradition in Harzgerode Tradition in Harzgerode: Aus Freude an der Musik

Harzgerode - Ob in Hotels der Region, alljährlich beim Sachsen-Anhalt-Tag, viele Jahre beim Tag der Niedersachsen oder beim Harzfest - wo immer die Volkskunstgruppe Harzgerode auftritt, begeistert sie mit ihrer harztypischen Musik, den Liedern und Tänzen. Die meisten der Mitglieder von Mandolinenorchester, Singe- bzw. Tanzgruppe gehören seit mehreren Jahrzehnten zu dem Ensemble, das in der kommenden Woche sein 65-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumskonzert feiert. „Uns hat die Musik das ganze Leben begleitet. Und wir versuchen, unsere Freude daran weiterzugeben“, sagt Chorleiterin Ilse Loch.
Die Geschichte des Ensembles begann im Herbst 1950. Hier fanden sich acht Männer zusammen, die Freude an der Volksmusik hatten und diese pflegen wollten. Mit Gitarren, Geigen, anfangs auch einer Zither, musizierte die Gruppe unter Leitung von Fritz Oppermann - und mit Mandolinen. „Das war bei den Bergleuten Tradition. Das war ein Instrument, das sich mitnehmen ließ“, weiß Ilse Loch.
Die Volkskunstgruppe Harzgerode feiert ihr 65-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumskonzert „Wenn die Mandolinen klingen, woll’n wir frohe Lieder singen“ am Sonnabend, 25. April, 15 Uhr, im Saal der Gaststätte Friederikeneck. Die Singegruppe unter Leitung von Ilse Loch und das Mandolinenorchester unter Leitung von Herbert Eberl zeigen einen in Ausschnitt aus dem Repertoire.
Sie hatte schon in ihrer Kindheit im Sudetenland gemeinsam mit ihrer Schwester viel gesungen. Das Singen war es auch, das den jungen Mädchen, nachdem es sie in den Harz verschlagen hatte, oft half. Als ihre Schwester heiratete und wegzog, suchte sich Ilse Loch Mitstreiterinnen in Harzgerode und gründete 1950 ein Mädchenterzett. Die Musik der Männer und der Gesang der Frauen fanden schließlich zusammen. „Es war ja nicht so, dass man gesagt hat: Wir gründen eine Gruppe. Es war reine Freude an der Musik: Sie haben gespielt, wir haben gesungen“, erinnert sich Ilse Loch.
Traditionelles - vorwiegend Lieder aus dem Harz, aber auch Volkslieder - zu erhalten und wieder ein wenig mehr zu verbreiten, das war - und ist bis heute - Ziel des Ensembles, das stetig wuchs. Anfangs nahm der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) die Volkskunstgruppe, die dann auch die Abkürzung mit im Namen trug, unter seine Fittiche. 1968, als Betriebe angehalten waren, Gruppen zu unterstützen, wurden die Harzgeröder Musiker und Sänger zur Volkskunstgruppe des VEB Druckguss- und Kolbenwerkes. Zwar trat das Ensemble auch bei Festveranstaltungen des Werkes auf, doch ansonsten konnten die Musiker und Sänger ihrer Leidenschaft für die Musik in Ruhe frönen und ihr Publikum mit dieser begeistern.
Rund 2 450 Auftritte hat Herbert Eberl, der seit 1968 Buch führt, von damals bis heute festgegehalten. „Wir hatten Jahre dabei, da hatten wir 98, 99 Auftritte und haben immer gedacht, die zwei oder der eine bis zur 100 könnten doch auch noch sein“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Unter den Auftritten waren regelmäßige wie jene alle zwei Wochen im Hotel in Alexisbad, und auch viele ganz besondere. Dazu zählte beispielsweise jener im Juni 1986 in Myjava in der Slowakei, wo Volkskunstdelegationen aus sieben Ländern auf einer großen Bühne standen. Oder die Auftritte in Jambol in Bulgarien, wo die Harzgeröder für Bulgaren musizierten, aber zum Beispiel auch für Mähdrescherbesatzungen aus Querfurt, die „sozialistische Hilfe“ leisteten. „Da standen wir in unseren Trachten auf dem Stoppelfeld“, erinnert sich Eberl. Ilso Loch fügt mit einem Schmunzeln hinzu, dass die ersten Konzerte beim insgesamt einwöchigen Aufenthalt nur mit paar Mandolinen und ohne Noten gestaltet wurden. Die Noten und die anderen Instrumente waren aus Platzgründen im Flieger nicht mitgenommen worden und wurden mit dem nächsten nachgeschickt.
Nachwuchssorgen kannte das Ensemble damals nicht. So leitete Herbert Eberl, der 1949 begann, Mandoline spielen zu lernen, 1953 zur Gruppe kam und 1966 die Leitung des Mandolinenorchesters übernahm, ein Schülerorchester an der Harzgeröder Schule. „Ich habe das 1961 übernommen, mich da reingefuchst und Schülern Unterricht gegeben für Mandoline und Gitarre“, erzählt Eberl. In den 30 Jahren bis 1991 hat er rund 350 Schüler unterrichtet, von denen etliche im Laufe der Jahre auch das Mandolinenorchester der Volkskunstgruppe verstärkten. Und Ilse Loch leitete über viele Jahre hinweg Gruppen junger Sänger ab der vierten Klasse, die dann ab der sechsten Klasse bei größeren Veranstaltungen gemeinsam mit der Volkskunstgruppe auftraten.
Anfang der 1980er Jahre entstand die Idee, aus dem Chor auch eine Tanzgruppe zu machen. Harztypische Tänze wurde einstudiert, die zu den Klängen des Musikensembles gezeigt werden. „Das lockert unser Programm auf“, erklärt Ilse Loch, die dafür eigens noch einen Tanzgruppenlehrgang besucht hatte. Schöne Erinnerungen hat die Gruppe auch an die Wendezeit. Die Harzgeröder waren gleich unter anderem nach Braunlage und Bad Sachsa eingeladen worden. „Die Herzlichkeit, mit der wir hier empfangen wurden, war beeindruckend“, sagt Petra Sentker, die seit 1983 im Chor mitsingt und seit 2005 Vorsitzende des Vereins ist. Der Landestrachtenverband Niedersachsen lud die Harzgeröder 1990 ein, beim Tag der Niedersachsen dabei zu sein, und bot ihnen an, Mitglied im Verband zu werden. Das sind die Unterharzer bis heute. Bis heute hält das Ensemble auch daran fest, nur gemeinsam aufzutreten. „Wenn jemand zum Beispiel aus Platzgründen nur das Orchester buchen möchte, machen wir das nicht. Uns gibt es nur komplett“, sagt Petra Sentker. Gemeinsam zeigen Musiker und Sänger dann ihre Repertoire, zu dem neben traditioneller Musik, die teils über Jahrhunderte überliefert wurde, auch eigene Musikstücke und Lieder gehören.
Gern würden die rund 30 Ensemblemitglieder - zur Hälfte Sänger, zur Hälfte Musiker - im Alter zwischen 44 und 84 Jahren - diese Traditionen und ihre Freude daran auch an Jüngere weitergeben. „Es wäre wirklich schön, wenn sich jüngere Leute dafür interessieren würden“, sagt Petra Sentker. (mz)