Tochter und Schwester für Sex verkauft Tochter und Schwester für Sex verkauft: Kindersex-Ring im Harz

Quedlinburg/Leipzig - Der Staatsanwalt spult Zahlen herunter. Daten aus dem Jahr 2012, Tage, Uhrzeiten. Am Ende werden es 106 sein. 106 Fälle, in denen der Angeklagte Thomas W. mal eine, mal mehrere Dateien gespeichert oder freigegeben haben soll. Hunderte Bilder und Videos mit kinderpornografischen Inhalten. Unter anderem zeigen sie „Kleinstkinder, denen die Windeln abgenommen werden, um dann sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen“, sagt der Staatsanwalt. Aber das ist nur ein Nebenschauplatz.
Das Amtsgericht Leipzig hat das Verfahren gegen Thomas W. an das Landgericht abgegeben, weil er sich hier seit gestern wegen einer weitaus schwerwiegenderen Tat verantworten muss: Es geht darum, dass eine Mutter aus Quedlinburg ihre Tochter und ihre Schwester an Männer zu Sexdiensten verkauft haben soll. Es ist der Prozessauftakt gegen die ersten beiden Beschuldigten: Thomas W., 38, aus Oschatz und Heinz-Dieter D., 66, aus Bremerhaven. Die Quedlinburgerin steht ab dem 27. März vor dem Landgericht Magdeburg.
Was die drei getan haben sollen, ist nur schwer vorstellbar. Der Staatsanwalt schildert es in seiner Anklage mit abstrakten, trockenen Worten. Immer wieder ist die Rede von „aufreißerisch dargestellten Geschlechtsteilen“, kindlichen Geschlechtsteilen. Es ist die Art, wie der Rechtsstaat mit Verbrechen umgeht, die das menschliche Vorstellungsvermögen überschreiten. Vermutlich ist es die einzige sinnvolle Möglichkeit, über solche Taten zu richten.
So schildert die Anklage den Verkauf der Mädchen: Irgendwann Ende April/Anfang Mai 2011 trafen sich die beiden Männer und die Frau aus Quedlinburg demnach an einem Waldrand im Harz. Dort übergab die Quedlinburgerin ihre damals zehnjährige Tochter und ihre 15-jährige Schwester - also die Tante des Mädchens - an Thomas W. und Heinz-Dieter D. Zu viert fuhren sie dann weiter nach Wernigerode, in das Plattenbaugebiet „Burgbreite“. In einem der Betonblocks an der Hauptstraße erwartete sie ein dritter Mann. Er überließ ihnen seine Wohnung.
„Die beiden Mädchen mussten sich dort entkleiden“, sagt der Staatsanwalt. Dann, so die Anklage, mussten sie verschiedene Sexpraktiken über sich ergehen lassen. „Die Männer fotografierten und filmten sich dabei gegenseitig“, sagt der Staatsanwalt. „Die Bilder und Videos wurden angefertigt, um sie an andere Personen weiterzugeben.“ Unter anderem in Holland sollen die Angeklagten die Dateien angeboten haben. Laut Anklage bekam die Mutter für die Mädchen 800 Euro. Ihre Tochter erhielt demnach 50 Euro, ihre Schwester 20 Euro und eine Schachtel Zigaretten.
Warum die Verhandlung bereits nach einer dreiviertel Stunde unterbrochen wurde und welche Strafe der Mutter droht, lesen Sie auf Seite 2.
Die Verhandlung wird am Mittwoch nach einer dreiviertel Stunde unterbrochen. Sie soll am 8. April fortgesetzt werden. Thomas W. hat bereits über seine Verteidigerin angekündigt, dass er zu den Vorwürfen aussagen will, Heinz-Dieter D.s Anwalt kündigt eine „Erklärung“ im Auftrag seines Mandanten an. Sein psychiatrisches Gutachten ist dem Gericht erst gestern übergeben worden. Offenbar erwägt die Kammer für ihn eine Sicherungsverwahrung, die sich an die zu erwartende Strafe anschließen soll.
Während Thomas W. bis zur Verhandlung am Mittwoch auf freiem Fuß war - und es weiterhin ist -, sitzt Heinz-Dieter D. seit September 2014 in Untersuchungshaft, weil er schon einmal wegen einer ähnlichen Tat zu einer Haftstrafe verurteilt worden ist. Wie die „Nordsee-Zeitung“ in Bremerhaven im November 2004 berichtete, hat er sich an der fünfjährigen Tochter einer Freundin vergangen. Wie weit der Missbrauch des Kindes ging, konnte vom Gericht nicht geklärt werden - man wollte dem Mädchen die Pein der Befragung ersparen, berichtete die Zeitung. Sie zitierte den Richter: „Wir glauben Ihnen aber auf keinen Fall, dass das Mädchen dabei geschlafen hat.“
Auch in diesem Fall hatte der Bremerhavener seine Tat gefilmt und Bilder davon über das Internet verbreitet. Fünf Jahre schickte ihn das Gericht ins Gefängnis. Dazu kam noch eine unverbüßte Bewährungsstrafe von elf Monaten: Der Mann hatte schon zwei Jahre zuvor vor Gericht gestanden, weil er laut „Nordsee-Zeitung“ „Tausende kinderpornografische Bilder besessen und einige davon getauscht“ hatte.
„Eine Klapperschlange ist nicht so bösartig wie dieser Mann“, sagte Arno S., der Mann der Schwester des Angeklagten, der MZ. Er habe von den Taten seines Schwagers aus der Zeitung erfahren, sagte der 69-Jährige, der vor Jahren von Bremerhaven nach Mecklenburg gezogen ist. „Das ist einfach unfassbar.“
Der 35-jährigen Mutter werden insgesamt sieben Straftaten von 2010 bis Januar 2014 vorgeworfen. „Sollte die Angeklagte überführt werden, droht ihr eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren“, so Christian Löffler, der Sprecher des Landgerichts Magdeburg. Bislang schweigt die Frau zu den Vorwürfen, die in der kleinen Harzstadt für Entsetzen gesorgt haben. Sie befindet sich seit dem 23. Dezember in Untersuchungshaft.
Die Tochter ist mittlerweile fast 15 Jahre alt. Sie wurde vom Jugendamt bereits am 20. November in Obhut genommen und in einer Jugendeinrichtung untergebracht. Die elterliche Sorge für alle Kinder der Angeklagten hat derzeit ein Amtsvormund. (mz)

