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Tierplage  Tierplage : Auf Waschbärenjagd

Von Sabine Herforth 17.10.2017, 11:55

Quedlinburg - Nachts, wenn die meisten Quedlinburger schlafen, wird es geschäftig in der Stadt. Dann machen sich Waschbären auf Nahrungssuche. Die kleinen Räuber sind in der Welterbestadt vielerorts längst zum Ärgernis geworden.

Hendrik Kranert-Rydzy, der 2015 noch mitten in Quedlinburg wohnte, erinnert sich an einige unangenehme Begegnungen mit einer Waschbärenfamilie, die es sich bei seinen damaligen Nachbarn gemütlich gemacht hatte.

Eines Tages sei sein Sohn kreidebleich nach Haus gekommen: die Waschbärmutter hatte das Kind böse angefaucht.

Die Nachbarin war völlig überfordert mit der Lage - die Räuber hatten sich in ihrem desolaten Schuppen einquartiert.

Die leidige Waschbärenplage: Jagd ist nicht erlaubt 

Kranert-Rydzy beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Eine Herausforderung, wie sich herausstellte. „Es gibt quasi niemanden, der sich kümmert“, beklagt er.

Denn für das Privatgrundstück ist zuallererst der Eigentümer selbst zuständig. Doch auch der darf nicht einfach Jagd auf Waschbären machen. Sie dürfen nur mit speziellen Fallen lebend eingefangen und auch nur von qualifizierten Personen wie Jägern getötet werden.

Die leidige Waschbärenplage: Überträger von gefährlichen Krankheiten

Mit einer solchen Lebendfalle sollte auch das Problem von Familie Kranert-Rydzy und ihren Nachbarn aus der Welt geschafft werden. Doch immer wieder ging nur die Waschbärenmutter in die Falle und musste wieder freigelassen werden.

„Elterntiere dürfen grundsätzlich nicht getötet werden, solange Jungtiere versorgt werden müssen“, erklärt Jäger Kai Wiebensohn. Doch die Jungen machten keine Anstalten, sich fangen zu lassen.

Irgendwann half schließlich der Zufall nach, als Kranert-Rydzy einen Blick in den Schuppen warf. „Ein Junges saß vor mir und brüllte mich an, da habe ich zugegriffen“, erzählt er.

Klug sei das nicht gewesen, sei ihm bewusst. „Die werden ziemlich grantig.“

Tatsächlich hätte er sich eine ganze Palette Krankheiten einfangen können, weiß Eckhard Kartheuser, stellvertretender Leiter des Tierparks Hexentanzplatz.

„Sie können furchtbar beißen und gefährliche Krankheiten übertragen“, warnt er. Ein Biss mit den spitzen langen Zähnen des Allesfressers genüge. „Das ganze Maul ist voll mit Bakterien“, so Kartheuser weiter. Und auch mit Parasiten könne man sich anstecken.

Die leidige Waschbärenplage: Schaden auch für die übrige Tierwelt

Während der Mensch dann immer noch zum Arzt gehen kann, nehme die Tierwelt hierzulande durch die Waschbären jedoch wirklich großen Schaden, sagt er.

Als eingewanderte Tierart mache er „der heimischen Fauna das Leben schwer“, betont Kartheuser. Kein Vogelnest sei sicher vor den schlauen Räubern, die problemlos auf hohe Bäume klettern.

Mit ihren Pfoten würden sie dann beispielsweise in Spechthöhlen greifen, um an die Jungtiere zu gelangen. Im Selketal stehe der Nachwuchs der baumbrütenden Mauersegler, deren Bestand immer weiter zurückgeht, auf dem Speiseplan.

„Er hat vor Altvögeln keinen Respekt“, weiß der Fachmann. Bei einer Beringungsaktion junger Rotmilane - sie sind vom Aussterben bedroht - am Nest, stieß Kartheuser statt auf junge Milane auf einen sattgefressenen Waschbären.

Die leidige Waschbärenplage: Falsch verstandene Tierliebe

Selbst in der Natur, wo Jäger einfacher an die Tiere herankommen, um sie zu töten, sei der Plage kaum mehr Herr zu werden, fürchtet Kai Wiebensohn. „Das ist eine Illusion.“

Umso wichtiger sei es, dass die Menschen, die Waschbären nicht aus „falsch verstandener Tierliebe“ füttern und ihre Vermehrung noch weiter fördern, appelliert Kartheuser.

Vielen sei nicht bewusst, wie viel Schaden Waschbären anrichten.

Die leidige Waschbärenplage: Problem löste sich von selbst

Hendrik Kranert-Rydzys Problem löste sich schließlich von selbst. Nachdem das Junge von einem Jäger getötet wurde, suchte die übrige Waschbärenfamilie das Weite. „Das ist aber am Ende keine Lösung“, sagt Kranert-Rydzy, der sich mehr Unterstützung für Privatpersonen wünscht.

Doch während das eine Problem nicht einmal ansatzweise gelöst ist, beschäftigt die Jäger bereits ein weiterer tierischer Einwanderer, der die Natur hierzulande aus dem Gleichgewicht bringt: Die Nilgans.

Auch sie verleibt sich aggressiv Lebensräume ein und hat hierzulande keine natürlichen Feinde. (mz)