Tage der Diakonie Tage der Diakonie : 25 Jahre christlich orientierte Ehe- und Lebensberatung

Quedlinburg/MZ - Ein Vierteljahrhundert evangelische Familienberatungsstelle in Quedlinburg? Man stutzt. Gab es das schon in der DDR? Ja, und genau dort, wo heute acht Mitarbeiterinnen und ein Mitarbeiter im Auftrage des Diakonischen Werks im Kirchenkreis Halberstadt eine ganz bunte Mischung von Menschen beraten: in der Carl-Ritter-Straße 16. Zu ihnen kommen Schwangere, Eltern, die Sorgen mit ihren Kindern haben, Paare, die einen Schlussstrich unter ihre Beziehung ziehen wollen und Opfer körperlicher und sexueller Gewalt.
Den Grundstein legte im August 1988 Gerda Bernstorff. Sie gehörte zu jenen, die im Evangelischen Zentralinstitut in Berlin (DDR) auf ihren Einsatz als Ehe- und Lebensberaterin vorbereitet wurden. Die Ausbilder kamen aus den alten Bundesländern in den Osten. „Das war eine halblegale Ausbildung“, sagen die Beraterinnen heute.
Die Arbeit der kirchlichen Ehe- und Lebensberatungsstelle, die vom Kirchenkreis Quedlinburg getragen wurde, finanzierten allein die Evangelischen Kirchen in der DDR. Sigrun Pitschmann, die heutige Leiterin der Familienberatungsstelle, verweist darauf, dass erst im September 1990 ein DDR-Ministerium bereit war, Berater in kirchlichen Einrichtungen zu bezahlen. Ein Jahr später erhielt die Einrichtung in Quedlinburg eine Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle. „Da waren wir aber schon in die Kaplanei umgezogen“, erinnern sich Mitarbeiterinnen von damals an die Grundsanierung, die bis zum Rückzug 1997 währte. Jedoch war bereits 1994 die Beratungsstelle dem Diakonischen Werk Aschersleben zugeordnet worden. Diese Episode währt bis 2000, als die Quedlinburger in den Kirchenkreis Halberstadt mit seinem Diakonischen Werk zurückkehren.
Gerade in den 90er Jahren fragten sich die Beteiligten immer wieder, was zur kirchlichen Arbeit passe, welche einst staatlichen Aufgaben übernommen werden können. Dazu zählt 1994 die Erziehungsberatung, zwischenzeitlich 2002 bis 2004 auch mal ein Schulsozialarbeiter-Projekt. Das Land fördert die Arbeit pauschal, der Landkreis die Erziehungsberatung. Sigrun Pitschmann sieht darin die Crux. „Nichts ist langfristig. Die Verträge unserer drei Schulsozialarbeiterinnen laufen am Schuljahresende aus und werden neu verhandelt, die Schwangerschaftskonfliktberatung ist bis 2015 finanziert, wir können keine Verträge und Vereinbarungen auf Dauer abschließen. Die Kunst besteht seit 25 Jahren darin, die Finanzierung zu sichern.“ Die großen Löcher in der Finanzierung stopfen der Kirchenkreis und die Kirchgemeinde Quedlinburg, erklären die Mitarbeiter. Zudem sei für 2014 eine „Neustrukturierung der Beratungslandschaft“ angekündigt.
Die Beraterinnen schauen nicht begeistert. Haben sie doch bereits vor vier Jahren miterlebt, dass die Beratungsstelle in Halberstadt nicht eigenständig weiterbestehen konnte und die Mitarbeiterinnen nach Quedlinburg umzogen. Zwar habe die Beratungsstelle neun Mitarbeiter, eine volle Stelle haben gerade mal die Schulsozialarbeiter. Was wohl bitter nötig ist. „Immer mehr haben Probleme, die Zahl der Multiproblemfamilien wächst,“ schätzt die gestandene Schulsozialarbeiterin Stefanie Kuhlenkamp, die seit 2009 im Team ist. Gegenwärtig ist sie mit ihren beiden Kolleginnen ins EU-Projekt zur „Vermeidung von Schulversagen und zur Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs“ eingebunden, das vom Europäischen Sozialfonds mitfinanziert wird.
Gestiegen sei auch die Klientenzahl in der psychologischen Familienberatung. Waren es vor vier Jahren noch 800 Klienten, sind es heute rund 200 mehr. Die Familienberater registrieren jedoch Verschiebungen innerhalb der Gruppen. Der Anteil der vom Gericht verpflichteten Menschen geht zurück, viele Betroffene kommen freiwillig oder auf Empfehlung von Kinderärzten, Sozialarbeitern, von Kita und Schule. Martin Kummer verweist auf die vielen Fälle im Trennungs-, Sorge- und Scheidungstrecht. „Es macht sich gut, wenn nach der Beratung mit einvernehmlichen Konzepten vor die Familienrichter getreten wird.“
Die Mitstreiter in der Familienberatung könnten Romane erzählen, Krimis, Räuberpistolen, Geschichten von Boshaftigkeiten, aber auch voller wiedergewonnener Zuneigung. „Aber unsere Arbeit findet hinter geschlossenen Türen statt. Unsere Schweigepflicht ist ein hohes Gut. Darauf können sich unsere Gesprächspartner völlig verlassen“, sind sie sich einig.