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Sind Hamsterkäufer schuld? Tafeln im Harz suchen Freiwillige für Einkaufshilfe und Lieferdienst: Lebensmittel-Ausgabe geschlossen

Von Martin Höfig 24.03.2020, 10:56
Aushang an der Ausgabestelle der Tafel in Quedlinburg. Wie hier sind sämtliche Tafeln im Landkreis nun erst mal für vier Wochen geschlossen.
Aushang an der Ausgabestelle der Tafel in Quedlinburg. Wie hier sind sämtliche Tafeln im Landkreis nun erst mal für vier Wochen geschlossen. D. Leppin

Quedlinburg/Harz - Wegen der Corona-Pandemie haben auch die Tafeln im Harz geschlossen. „Die Lebensmittelspenden der Supermärkte sind in den vergangenen Wochen auf etwa 15 Prozent dessen gesunken, was von dort im Normalfall bei den Tafeln ankommt“, nennt Andreas Steppuhn (SPD), Vorsitzender des Landesverbandes der Tafeln in Sachsen-Anhalt, einen der Gründe für die Schließung.

Er führt diesen Rückgang der Spenden vor allem auf die sich verbreitenden Hamsterkäufe von Teilen der Bevölkerung zurück, „vor allem Nudeln, Konserven sowie Obst und Gemüse sind immer knapper geworden“, zählt er auf.

Lebensmittelspenden der Supermärkte sind auf 15 Prozent gesunken, berichtet Andreas Steppuhn

Ein weiterer Grund für die Einstellung der Tafelausgaben sei die gesundheitliche Vorsorge der dort beschäftigten haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, sagt Kai-Gerrit Bädje, Geschäftsführer des Awo-Kreisverbandes Harz und damit verantwortlich für die Tafeln in Quedlinburg, Halberstadt und Wernigerode.

„Es war erforderlich, die Routine der Tafelarbeit zu unterbrechen, da eine Ausgabe nach den Anforderungen des Robert-Koch-Instituts nicht hätte gewährleistet werden können“, erklärt Bädje.

Daraufhin habe die Awo einen Notfallplan für alle ihre Tafelausgabestellen im Landkreis Harz entwickelt. „Hierbei sind unsere Hauptzielgruppe die Rentner unter den Tafelnutzern“, sagt Bädje.

Da man sich erst seit Montag vergangener Woche außerhalb der regulären Ausgabenrhythmen bewege, sei die Not der Tafelnutzer bisher noch nicht allzu stark spürbar, so Bädje weiter. „Das wird sich jedoch in den nächsten Wochen ändern“, ist er sich sicher.

Tafeln im Harz suchen nun Freiwillige für Einkaufshilfe und Lieferdienst

Unter dem Motto „Gemeinsam solidarisch“ suchten die Tafeln im Harz zusammen mit dem SPD-Ortsverein Quedlinburg und dem Quedlinburger Sportverein deshalb nun händeringend Freiwillige für Einkaufshilfe und Lieferdienst.

Vor allem jüngere Leute seien dabei angesprochen, da die meisten der bisherigen freiwilligen Helfer der Tafeln selbst Rentner sind und damit zu den Risikogruppen einer Infektion mit Sars-CoV-2 gehören.

Geplant sei nun zum einen, in eingeschränkter und veränderter Form weiter Lebensmittel zu verteilen. Dafür füllten Tafelmitarbeiter Beutel mit Nahrungsmitteln, die dann an die verschiedenen Ausgabestellen in Quedlinburg, Ballenstedt, Wernigerode, Harzgerode, Halberstadt, Bad Suderode, Hausneindorf, Blankenburg und Osterwieck geliefert und von dort weiterverteilt würden.

„Und ab diesem Punkt sind dann Ehrenamtliche gefragt, die sich bereit erklären, die Tüten abzuholen und bis an die Haustüren der Betroffenen zu bringen“, appelliert Bädje an potenzielle Freiwillige, die sich vorstellen könnten, diese Aufgabe etwa einmal in der Woche an einem der genannten Orte zu übernehmen.

Lebensmittelspenden könnten vor dem Restaurant mit Herz in Quedlinburg abgegeben werden

Damit der Notfallplan also aufgeht, benötigen die Tafeln sowohl Freiwillige als auch private Lebensmittelspenden, die dann durch den Lieferdienst verteilt werden können. Lebensmittelspenden könnten montags bis freitags zwischen 10 und 15 Uhr vor dem Restaurant mit Herz in Quedlinburg abgegeben werden, und auch Freiwillige könnten sich dort melden.

Außerdem bietet die Tafel in Quedlinburg Senioren, die nicht selbst einkaufen gehen können, an, sich an die Koordinierungsstelle der Tafel zu wenden.

Diese ist montags bis freitags zwischen 9 und 15 Uhr unter der Telefonnummer 03946/9611210 erreichbar. „Der Einkaufsservice ist aber vorerst auf den Bereich Quedlinburg begrenzt“, schränkt Bädje ein. Er solle aber nach Möglichkeit erweitert werden, wenn Nachfrage und Unterstützung es erlaubten, hofft er.

Auch Rentner, die Kunden der Tafel sind, werden gebeten, sich telefonisch anzumelden, um den Bedarf erfassen und koordinieren zu können, sagt Alexandra Schulze, Koordinatorin der Tafeln im Landkreis. „Bisher zeigen die betroffenen Tafelnutzer durchweg Verständnis für die Einschränkungen“, sagt Schulze. Doch auch sie hofft nun auf private Spenden, ohne die die Stimmung in den nächsten Tagen und Wochen auch umschlagen könnte.

Rentner, die Kunden der Tafel sind, sollen sich telefonisch melden, um Bedarf zu erfassen

Die Tafeln als nicht staatlich finanziertes Hilfesystem sind vollständig auf das freiwillige Engagement der Bürger angewiesen, das den Rahmen ihrer Möglichkeiten setzt. Es gibt somit keine gesetzlichen Vorschriften, aber eben auch keine solchen Sicherheiten für die Tafelarbeit, „unser Leitgedanke ist daher einzig das Praktizieren von Solidarität“, sagt Bädje.

Der Bundesvorsitzende des Tafelverbandes, Jochen Brühl, sieht dennoch darüber hinaus gehenden Handlungsbedarf. Er forderte, „dass die Politik unsere gemeinnützige Organisation jetzt unterstützt, um langfristige Schließungen zu verhindern“. (mz)