1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Stadtgeschichte von Gernrode: Stele bei der Kuckucksuhrenfabrik erinnert an Caroline Moldenhauer

Stadtgeschichte von Gernrode Stele bei der Kuckucksuhrenfabrik erinnert an Caroline Moldenhauer

Der Kulturverein Gernrode hat die steinerne Stele neben der Kuckucksuhrenfabrik um eine Gedenktafel erweitert. Jetzt wird nicht nur der Chemiker Friedrich Moldenhauer, sondern auch seine Schwester Caroline gewürdigt. Sie gab jungen Frauen im 19. Jahrhundert eine Starthilfe ins Leben.

Von Rita Kunze 04.02.2023, 11:00
Rosemarie Kellermann sieht sich die Gedenktafel für ihre Vorfahrin Caroline Moldenhauer an.
Rosemarie Kellermann sieht sich die Gedenktafel für ihre Vorfahrin Caroline Moldenhauer an. Foto: Kunze

Gernrode/MZ - Wie schon ihr Bruder Friedrich ist nun auch Caroline Moldenhauer im Stadtbild von Gernrode präsent: Die Mitglieder des Kulturvereins Andreas Popperodt haben am Freitag eine Gedenktafel für sie enthüllt: „Die Schwester des Chemikers Moldenhauer gründete ab 1830 die ersten Töchterpensionate, denen etwa 20 folgten. In der Folge nehmen Wirtschaft und Bildung einen großen Aufschwung, Gernrode wurde zu einem modernen Ort“, heißt es auf der Metalltafel, die unterhalb der Kuckucksuhrenfabrik an einer steinernen Stele angebracht ist.

Über der Inschrift ist eine Darstellung vom „Töchterheim Daheim“ zu sehen. Das Haus in der heutigen Steinbergstraße gibt es immer noch. „Aber nicht mehr so schön“, sagt Rosemarie Kellermann, eine Nachfahrin der Familie. „Der Erker ist noch da.“

Bürgermeistertochter setzt sich für Arbeiterinnen in der Streichholzfabrik ein

Caroline Moldenhauer wurde 1793 als älteste Tochter des Gernröder Bürgermeisters Carl Moldenhauer geboren. „Sie arbeitete im Büro in der von ihrem Bruder Carl 1834 gegründeten Streichholzfabrik“, sagt Rosemarie Kellermann. „Besonders für die sozialen Belange der Arbeiterinnen war sie verantwortlich und stets bemüht, optimale Bedingungen für sie zu schaffen.“

Doch dann kündigte sie, um sich einem neuen Projekt zuzuwenden: Wie ihre jüngere Schwester Auguste in Bernburg wollte sie in Gernrode etwas für die Bildung junger Frauen tun – und gründete ein „Töchterpensionat“: „Jungen Mädchen wurde darin die Möglichkeit zur Weiterbildung geschaffen. So erhielten sie eine Starthilfe für ihr künftiges Berufs- und Familienleben und unverheiratete Damen eine gesicherte Existenzgrundlage“, sagt Rosemarie Kellermann.

Für ihren Traum richtete Caroline Moldenhauer das Haus in der Steinbergstraße 22, in dem sie selbst wohnte, als Töchterschule ein. Deren Name: „Daheim“. Wie sich schnell zeigte, hatte sie damit den Nerv der Zeit getroffen, und weitere Pensionate folgten: „Um 1929 konnte Gernrode 16 davon aufweisen“, so die Nachfahrin. „Etwa 400 junge Mädchen belebten ständig das Stadtbild und prägten damit den Namen ‚Jungmädelstadt‘. Jede Pension war auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert“, sagt Rosemarie Kellermann, die in den Töchterheimen eine Fortsetzung des Kanonissenstifts sieht, das 959 von Markgraf Gero gegründet wurde und bis 1616 bestand. Auch dort seien junge Frauen auf ihr späteres Leben vorbereitet worden.

Ein weiteres Stück Gernröder Stadtgeschichte lässt sich nachvollziehen

Mit den Gedenktafeln an der Stele, die neben der Kuckucksuhrenfabrik aufgestellt ist, lasse sich die Geschichte der Stadt nachvollziehen, sagt Manfred Kaßebaum. Der ehemalige Vorsitzende des Kulturvereins hatte im September 2020 die erste Tafel enthüllt, mit der an den Chemiker Friedrich Moldenhauer (1797-1866) erinnert wird, der ein Verfahren zur Herstellung von Zündhölzern entwickelt hat.

Ihm war zunächst ein Gedenkstein unterhalb der Stiftskirche, gewidmet, aber „Moldenhauer gehört hier her“, sagt Sabine Schönbeck, die sich gemeinsam mit Rosemarie Kellermann dafür engagiert hat, dass die Gedenktafel einen neuen Standort bekommt.

Der Kulturverein übernahm die Koordination. Die Tafeln wurden in einer Gießerei in Staßfurt angefertigt, die ihre Arbeit dem Verein spendete. Die hölzerne Gussvorlage lieferte die Harzschnitzerei Bormann in Rieder.

Unterhalb der Tafeln befinden sich QR-Codes. „Das ist zeitgemäß“, sagt Manfred Kaßebaum, denn so ließe sich „deutlich mehr über die Menschen erfahren, die in unserer Stadt gewirkt haben“.

Der Kulturverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Menschen zum Teil neu zu entdecken. Dass beispielsweise der China-Forscher Otto Franke in Gernrode geboren wurde, war in seiner Geburtsstadt lange Zeit unbekannt. Inzwischen ist dort eine Straße nach ihm benannt worden.

Und vielleicht könnte künftig der Stein unterhalb der Stiftskirche an Stephan Molitor erinnern – das nächste Projekt von Rosemarie Kellermann und Sabine Schönbeck. Der Geistliche war im 16. Jahrhundert der erste evangelische Pfarrer und Superintendent von Gernrode im Harz.