St. Marien in Harzgerode St. Marien in Harzgerode: Eine Kirche voller innerer Schönheit
Harzgerode - Pfarrerin Anke Dittrich nennt das Jahrhunderte alte Bauwerk liebevoll ihr „Mariechen“: Die St.-Marien-Kirche in Harzgerode ist der Rheinländerin, die seit rund einem Jahrzehnt im Unterharz lebt und arbeitet, ans Herz gewachsen. Stecken ihre Mauern doch voller Überraschungen - und das gilt gleichermaßen für die kunstvolle Ausgestaltung wie für die Bausubstanz.
Der Fürst mag es prächtig
Das Äußere der kleinen Kirche ist unscheinbar. Aber sobald sich ihre Türen öffnen, gerät der Besucher ins Staunen: Barocke Pracht entfaltet sich auf den drei weißen, mit reichem Schnitzwerk versehenen hölzernen Emporen, die ringsum mit 72 Emblemata verziert sind. Die kleinen Gemälde mit zumeist biblischem Hintergrund entstanden im Auftrag von Fürst Wilhelm von Anhalt-Bernburg-Harzgerode (1643-1709). Er mochte es offenbar opulent, und so ist die einstmals reformierte Kirche ungewöhnlich reich ausgeschmückt.
So klein sein Fürstentum auch gewesen sein mag - das Gotteshaus in Harzgerode, das nur wenige Schritte vom Schloss entfernt ist, hatte für den Regenten besondere Bedeutung: „In der Kirche allein gibt es mehr Residenz-Zeugnisse als in der ganzen Stadt“, sagt die Pfarrerin. Im Jahr 2006 machte sie sich gemeinsam mit dem Hallenser Kunsthistoriker und Restaurator Gerhard Richwien an die Entschlüsselung der Bilderrätsel. Denn was auf den kleinen Gemälden dargestellt ist, ließ sich durch dicke Schichten von Staub und Schmutz kaum noch erkennen.
Am Ende entpuppte sich das Ganze als eine Art Bilderbuch, mit dem der Fürst kirchliche, moralische und theologische Themen in einer Form vermitteln ließ, die auch derjenige verstand, der nicht so gebildet war wie der Adel. „Auf Regen folgt Sonnenschein“, steht etwa unter dem Bild von Noahs Arche. Diese Geschichte aus der Bibel ist zwar weitaus komplexer, aber ihr Kerngedanke ließ sich nach Ansicht des Fürsten offenbar in diesen einen, schlichten Satz fassen. Dass die Bilder wieder Botschaften und nicht länger Rätsel sind, ist nicht zuletzt dem Einfallsreichtum der Pfarrerin zu verdanken, die für den Erhalt dieses einzigartigen Gotteshauses immer wieder neue Ideen entwickelt.
Schmuck und Paten
Die Sanierung der Emblemata hat sie mit Spenden finanziert und etliche Paten gefunden, die Geld für die Wiederherstellung eines Bildes ihrer Wahl gegeben haben. Als es um die Sanierung von Stützpfeilern und der Fürstengruft ging, hat sie gemeinsam mit dem Harzgeröder Juwelier Mafred Li die Aktion „Schmuck für ein Schmuckstück“ ins Leben gerufen: Aus den Kirchenmauern herausgebröselte Steinchen hat Li in Silber gefasst und zu Ringen, Anhängern und Nadeln verarbeitet.
Die Marienkirche ist für Harzgerode mehr als ein Gotteshaus. Pfarrerin und Gemeinde haben vor Jahren die Verbindung zur Stadt geschaffen, und so wird St. Marien alle Jahre wieder zum festen Anlaufpunkt bei den Harzgeröder Adventswegen, hat Pflanzentauschbörsen während der Schöpfungswoche vor dem Erntedankfest und Konzerte erlebt.
„Die Kirche ist ein ureigenster Ort der Bevölkerung, da gibt es immer Bezüge, egal, wie man zur Institution Kirche steht“, sagt die Pfarrerin, die St. Marien als offenes Haus versteht. Mehr noch; vor reichlich acht Jahren hat der Museumsverband Sachsen-Anhalt das Gotteshaus als „außerordentlich kooperatives Mitglied“ in seine Reihen aufgenommen.
In Kirchen- und Turmführungen können Besucher mehr über die Geschichte des Bauwerks erfahren, das Ende des 17. Jahrhunderts in seine heutige Form gebracht wurde und das seit dem 19. Jahrhundert über eine besondere Orgel verfügt: Ernst Röver (1857-1923), einer der bedeutendsten Orgelbauer seiner Zeit, hat das Instrument mit 29 Registern gebaut. Das ist der guten Akustik des Raumes angemessen, weiß Anke Dittrich: „Wenn die Orgel spielt, beben die Bänke.“