1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Schlittenfahrt zur Schulstunde

Schlittenfahrt zur Schulstunde

Von Petra Korn 16.12.2007, 19:40

Ballenstedt/MZ. - Bereits zum zweiten Mal lud "Akzente - Verein für Kultur, Jugend und Soziales Ballenstedt" zum großen Vergnügen auf kleinem Raum ein: zum Papiertheater. Denn gerade mal gut einen Meter breit ist die Bühne, auf der am Sonnabendabend - ganz in Biedermeier-Tradition - in der Ballenstedter Schlosskirche Geschichten aus dem Leben Wilhelm von Kügelgens, Schriftsteller, Hofmaler und Kammerherr am herzoglichen Hof von Anhalt-Bernburg, "gespielt" wurden. "Leben" hauchte den Geschichten das bewährte Ensemble des "Teatrum tableaux burlesque" ein, das vorlas und auch spielte.

Und damit dem Publikum eine äußerst vergnügliche Stunde bereitete: So etwa, als Herzog Alexander Carl (Horst Range) sich gegenüber Wilhelm von Kügelgen (Hans Henning von Hartrott) darüber beklagt, dass es seinen Untertanen besser ginge als ihm und zum Beweis einen löchrigen Strumpf vorzeigt. Oder beim Aufeinandertreffen des Herzogs und seiner Frau Friederike (Bettina Fügemann) mit Otto von Bismarck und dessen Verlobter Johanna von Puttkamer (Ursula Range): Da wirft der Herzog Bismarck nicht nur vor, dass diesem Anhalt-Bernburg "zu poplig" sei; er nennt auch dessen Verlobte stets "von Putthuhn". Amüsant ebenso, wie der Herzog nach einer Schlittenfahrt über den Teich nach dem Genuss von Pferdefleisch glaubt, selbst zum Pferd zu werden. Und nicht zuletzt die Schulstunde, in der Probst Scholtze - ganz in "Feuerzangenbowle"-Art - seinen "Schölern", den Kügelgen-Kindern, Anstands-Unterricht erteilt.

Die witzigen, mit "Anleihen" aus der heutigen Zeit versehenen und kleinen Anzüglichkeiten gewürzten Geschichten stammen erneut aus der Feder von Bettina Fügemann. Das Gerüst dafür liefern historische Begebenheiten unter anderem aus den Tagebüchern Kügelgens "Jugenderinnerungen eines alten Mannes", so die Autorin, Regisseurin, Darstellerin und "Akzente"-Vorsitzende. Bettina Fügemann, Ursula und Horst Range und Hans Henning von Hartrott - wie alle Beteiligten interessierte Ballenstedter Bürger - agierten mit sichtlichem Vergnügen. Erfrischend die Premiere der sechs Ballenstedter Schülerinnen und Schüler Klara, Lisa-Marie, Sascha, Jack, Christopher und Lucia, die in die Rollen der Kügelgen-Kinder schlüpften. Musikalisch unterstützte Siegfried Hünermund am Klavier.

Für das in Szene setzen der Figuren wie für die technische Ausstattung zeichneten in bewährter Weise Christel und Ludwig Müller verantwortlich. Die beiden haben auch das Papiertheater gebaut, das die Fassade des Schlosstheaters zeigt und auf den geöffneten Flügeln die Seitenlogen. Die Köpfe der Figuren sind Abbildungen von Porträts, welche von Kügelgen gemalt wurden. "Und die Kulissen sind nach Aquarellen von Anna von Kügelgen entstanden", so Ludwig Müller.

"Köstlich." "Eine tolle Sache", gratulierte das Publikum dem Ensemble und Bettina Fügemann, die unterstrich: "Ein solches Projekt lebt von den Menschen, die es tragen." Zu den Unterstützern gehörten auch die Alte Schule Gernrode, die die Schulranzen zur Verfügung stellte, das Tanzensemble Quedlinburg, von dem die Kostüme für die Kinder kamen, und die Stadt Ballenstedt, die die Schlosskirche kostenlos zur Verfügung stellte.

Übrigens: Ein drittes Projekt des Papiertheaters ist bereits in Vorbereitung - anlässlich des 222-jährigen Bestehens des Schlosstheaters Ballenstedt im Sommer 2008.