Schicksal Ronny Röhrig aus Quedlinburg will Mexiko verklagen

Quedlinburg - Den mexikanischen Staat auf Schadenersatz verklagen? Ronny Röhrig, der fünf Jahre in Mexiko im Gefängnis saß, bis die Anklage fallengelassen wurde, denkt daran. Aber zunächst gibt es für den Quedlinburger Wichtigeres: „Ich will so schnell wie möglich wieder ein normales Leben führen“, sagt er.
Früher, erklärt er, habe er seine Arbeit gehabt, sich in der Freizeit der Familie, den Freunden und seinen Hobbys widmen können. „An diesem Punkt bin ich noch lange nicht wieder angelangt.“
Der heute 42-Jährige, der in Panama selbstständig tätig war, war im Juli 2011 in Mexiko verhaftet worden. Der Vorwurf - er sei Mitglied eines Drogenkartells gewesen und habe Geld gewaschen - war „völlig aus der Luft gegriffen“, sagt Ronny Röhrig.
Dennoch: „Ich war fünf Jahre eingesperrt unter unmenschlichen Bedingungen, davon drei Jahre in Einzelhaft. Im Sommer unerträgliche Hitze, im Winter kalt, ohne ärztliche Versorgung, nur wenig und schlechtes Essen, Schläge, Misshandlungen.“ Dann wurden plötzlich alle Vorwürfe fallengelassen. Im August 2016 kehrte Ronny Röhrig nach Quedlinburg zurück.
Nach der Haft in Mexiko: Ronny Röhrig brauchte fünf Monate sich in Quedlinburg wieder einzuleben
Ein, zwei Monate, habe er gedacht, werde er brauchen, um in der Heimat wieder Fuß zu fassen, sagt er. Jetzt, knapp fünf Monate später, habe er einiges auch geschafft. „Ich habe wieder etwas anzuziehen. Ich habe eine Wohnung und Möbel. Und ich habe, über das Arbeitsamt finanziert, einen Lehrgang absolviert, so dass ich als Sicherheitsmann arbeiten könnte. Doch es gibt viele Dinge, wo ich nicht weiterkomme.“
So sei es schwer, Arbeit zu finden, um wieder ein geregeltes Einkommen zu haben, sagt der gelernte Kfz-Mechaniker, der derzeit Arbeitslosengeld-II-Empfänger ist, also von „Hartz IV“ lebt.
Doch er wolle die Schulden, die sich in in den fünf Jahren zum Beispiel durch nicht bezahlte Telefonrechnungen angesammelt hätten, abbauen. Und er wolle seiner Familie gern das Geld zurückzahlen, das diese aufgebracht habe, um Übersetzungen von Schriftstücken oder Finanzgutachten zu bezahlen, die er in Mexiko vorgelegt habe, um seine Unschuld zu beweisen, sagt Ronny Röhrig.
Neben dem Bemühen, seine finanzielle Situation zu regeln, steht das um seine eigene kleine Familie. Seine kubanische Lebensgefährtin, mit der er eine Tochter hat, sei derzeit als Touristin in Deutschland, eine Aufenthaltserlaubnis sei beantragt. Ronny Röhrig will erreichen, dass seine Lebensgefährtin die deutsche Staatsbürgerschaft erhält. „Ich will, dass meine Tochter bei mir aufwächst.“ Das in Havanna geborene Mädchen habe bereits einen deutschen Pass.
Mit der Aussicht, in diesem Jahr einen Arbeitsplatz bei einer Sicherheitsfirma zu erhalten, „würde sich meine Lage verbessern“, sagt Röhrig. Sein Ziel aber sei, eine eigene Firma im Montage-, Bau- oder Service-Bereich zu gründen - „Arbeit gibt es mehr als genug“ - und dann für seine Familie ein kleines Heim zu schaffen, das er selbst um- und ausbauen wolle.
Ronny Röhrig saß unschuldig in Mexiko in Haft: Der Quedlinburger denkt über eine Entschädigungsklage nach
An die Zeit im Gefängnis in Mexiko denkt Ronny Röhrig „absichtlich nicht“ zurück. „Zurückzublicken bringt nichts. Ich habe genug damit zu tun, mir um meine Zukunft Gedanken zu machen und mein Leben in den Griff zu kriegen.“ Das will er bis zum Sommer geschafft haben. „Es ist ein Druck, der mir gut gefällt“, sagt er. Denn im Sommer erwarten seine Lebensgefährtin und er ein zweites Kind.
Irgendwann wird sich Ronny Röhrig auch mit dem Thema Entschädigung befassen. Auf welche Summe er den mexikanischen Staat verklagen wird? „Vielleicht zwei bis drei Millionen Dollar? Das muss der Anwalt entscheiden, den ich dann in Mexiko beauftragen muss“, sagt Röhrig. Nicht nur er selbst, „auch meine Familie, meine Kinder haben gelitten“.
Seine Mutter habe fünf Jahre für seine Freiheit gekämpft, und für die beiden in Mexiko lebenden Töchter aus einer früheren Partnerschaft habe er ebenso nicht sorgen können wie für die jüngste Tochter.
„Mit dem Geld, das ich erstreiten will, möchte ich für meine Kinder Sparkonten einrichten, damit sie zum Beispiel später studieren können, wenn sie das möchten“, sagt er. „Und ich möchte meine Mutter unterstützen. Wiedergutmachen wird man es nie können, aber vielleicht einen kleinen Ausgleich schaffen.“ (mz)