Unschuldig im Knast: Ronny Röhrig aus Quedlinburg saß in Mexiko fünf Jahre unschuldig im Gefängnis

Quedlinburg - Die beiden Aktenstapel, die vor Ronny Röhrig auf dem Tisch liegen, umfassen mehrere tausend Seiten. Dokumente aus den vergangenen fünf Jahren, in denen er in Mexiko im Gefängnis saß. Wenn der 42-jährige Quedlinburger in den Papieren blättert, „empfinde ich als erstes Freude. Ich bin wieder zu Hause“, sagt er und schiebt nach: „Geistig bin ich aber immer noch nicht angekommen.“

So scheint er sich an jedes Detail zu erinnern: Wenn er mit Schritten im Wohnzimmer seiner Mutter die Größe der Zellen in Mexiko deutlich macht. Oder wenn er über Gespräche mit einem hinter Panzerglas stehenden Sekretär berichtet, die es in dem Land anstelle von Gerichtsverhandlungen gebe. „Wenn man in Deutschland so etwas hört, dann kann man sich das gar nicht vorstellen.“

Dem Auswärtigen Amt in Berlin ist der Fall bekannt. Die deutsche Botschaft vor Ort sei mit dem Fall befasst gewesen, habe Ronny Röhrig konsularisch betreut und in engem Kontakt mit den zuständigen Stellen im Land, dem Rechtsanwalt und den Angehörigen gestanden, hieß es.

Wie der gelernte Kfz-Mechaniker erzählt, war er bereits in seiner Heimatstadt selbstständig, ehe er in Panama zwei Firmen gründete und zwischen diesem Land und Mexiko, wo seine Kinder lebten, hin- und herpendelte. Im Juli 2011 hatte er nach Deutschland fliegen wollen, als er verhaftet wurde. „Das war für mich völlig überraschend“, so der 42-Jährige. Er sei Mitglied eines Drogenkartells gewesen und habe Geld gewaschen, lautete der Vorwurf. „Das ist völlig aus der Luft gegriffen“, sagt Röhrig.

Doch bis zu seiner Freilassung im Mai 2016 vergingen Jahre. Der 42-Jährige berichtet von Widersprüchen gegen den Haftbefehl, davon, wie nach mehr als einem Jahr im Gefängnis der Vorwurf der Zugehörigkeit zu einem Drogenkartell fallengelassen wurde. Er erzählt von Unterlagen, die er vorlegte, um seine Unschuld bezüglich des Geldwäschevorwurfs zu beweisen. Und wie er 2014 schließlich zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde und in Berufung ging, die abgelehnt wurde. „Nach vier Jahren und vier Monaten hatte ich den normalen Rechtsweg ausgeschöpft.“

Hierzulande kaum vorstellbar seien die Haftbedingungen in Mexiko. „Man kriegt keine vernünftigen Klamotten, friert im Winter wie verrückt, es gibt keine Heizung, nur ganz wenig und schlechtes Essen, kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitung. Jedes Mal beim Rein- und Rausgehen muss man sich komplett ausziehen.“ Dazu kämen Strafen, sobald gegen eine Regel verstoßen werde. „Ich bin misshandelt worden, geschlagen worden, habe Hunger gelitten und so gefroren, dass ich dachte, ich sterbe.“ Weil Röhrig gegen die Bedingungen klagte, wurde er mehrfach verlegt. Drei Jahre lang habe man ihn in Einzelhaft gesteckt.

Manchmal, sagt der 42-Jährige, habe er ein wenig den Mut verloren. „Doch ich habe nur an meine Familie, an meine Kinder denken müssen, um zu sagen, ich mache weiter. Ich habe gesehen, dass ich sehr viel Hilfe speziell von meiner Mutter bekommen habe und von meiner ehemaligen Freundin. Und ich habe ja immer damit gerechnet, schnell rauszukommen, mich von einem Termin zum anderen gehangelt.“

Als letzte Möglichkeit hatte er im November 2015 „Amparo“ eingelegt, ein außerordentliches Rechtsmittel, mit der Begründung, dass seine Berufungsrechte missachtet, Grundrechte verletzt worden seien. Am 27. Mai dieses Jahres hieß es plötzlich, er werde entlassen. Ronny Röhrig zeigt auf das Schreiben in spanischer Sprache, mit dem, wie er übersetzt, seine sofortige Freilassung angeordnet und bestätigt wird, dass sich der Anklagevorwurf nicht bestätigt habe.

Nun wieder zu Hause, will Röhrig, der derzeit bei seine Mutter lebt, wieder Fuß fassen. „Ich habe nichts mehr, ich habe alles verloren“, sagt er. Wichtig ist ihm auch, in die Öffentlichkeit zu gehen. „Es geht mir nicht darum, mich zu rächen.“ Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Haftbedingungen in Mexiko geändert werden und sich nicht wiederhole, was er erlebt habe. Schließlich könnten Deutsche für mögliche Straftaten im Ausland auch in Deutschland vor Gericht gestellt werden, sagt Röhrig.

(mz)