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Rettender Engel hilft Artistenfamilie

Von Frank Ruprecht 22.12.2006, 13:41

Straßberg/MZ. - Allerdings nicht für Csapais, die seit gut acht Wochen ihr Winterlager auf einer Gemeindefläche in Straßberg eher rein zufällig aufgeschlagen haben, weil nach einer Vorstellung ein Fahrzeug kaputt ging und sie somit festsaßen. Auch weil das Geld für eine nötige Reparatur fehlte.

Aber auch so müssen sich Mutter Emmi (60), Sohn Michael und Stiefvater Emri (48) tagtäglich durchs Leben schlagen und sind auf Hilfe anderer angewiesen. Denn schließlich sind etliche Ponys, Hängebauchschweine, Ziegen, Hunde und Katzen auch noch zu versorgen. Und im Wohnwagen soll es ja auch ein bisschen warm sein.

Aber das Geld reicht hinten und vorn nicht, denn mit Auftritten sieht es zur Zeit ein wenig mau aus. Da sind die Csapais froh, das sie mit Erlaubnis der Gemeinde dort kostenlos überwintern können. Nur für Strom und Wasser müssen sie aufkommen. Und einen festen Wohnsitz haben sie ja nicht.

Doch wie lernten sie "ihre Dagmar" eigentlich kennen? Als sie Anfang November in ihren Wohnort Straßberg mit dem Hunde spazieren ging, entdeckte sie die fünf bunten Zirkuswagen und das kleine Zelt am Rande des Dorfes. Und erfuhr von der Notlage der Zirkusleute, was dann auch Mitleid und der Wunsch zu helfen bei ihr weckte. Schnell kam sie mit den Csapais ins Gespräch und ging sofort, wie sie selber sagte" "auf Betteltour". Sie besorgte von der Firma Manteuffel aus Rottleberode Holz für den Ofen, eine Rolle Heu von Frau Röder aus Straßberg, ließ eine Box im Zoohaus Schneidewind in Harzgerode zum Futter sammeln und Sparbüchsen beim Fleischer und Bäcker des Ortes aufstellen. Aber auch bei den Handballern von Stahl Thale, wo ihr Mann noch spielt, bat sie um Geldspenden, die natürlich nicht lange gezögert haben.

Müssen sich die Csapais täglich um das Wohl ihrer Tiere kümmern, kommen auch noch andere Probleme auf sie zu. An den alten, hölzernen Wagen, die ganz spartanisch eingerichtet sind und nicht einmal den Gedanken an einen kleinen Luxus aufkommen lassen, hat der Zahn der Zeit unaufhörlich genagt. Sich neue zu leisten, daran brauchen die Csapais keinen Gedanken verschwenden. Beim Wohnwagen war erst das Dach undicht. Da half vorerst eine Notreparatur.

Die einst große Zirkusfamilie stammt zum größten Teil aus dem Osten der Republik, obwohl Michael Frank in Bayern und Emmi in Hessen geboren ist. Emri ist eigentlich aus Ungarn. Damals hieß der zwölfköpfige Familienzirkus mit 25 Wagen "Frankardi", den es schon seit einigen Generation gibt. Deshalb ist ein genaues Gründerdatum nicht bekannt. Vorstellungen wurden in einem "Viermaster" gegeben, der bei einem Verkehrsunfall mit Todesfolge eines Familienmitgliedes kaputt ging. Wegen langwieriger Gerichtsverhandlung zu dem Unfall, musste das Zirkusgeschäft vorübergehend ruhen. Das neue Zelt wurde in einer Scheune untergebracht, wo es Mäuse zerfressen hatte.

Dann verstarb vor 21 Jahren Vater Alois plötzlich an Lungenkrebs, womit sich auch der heutige Zirkusname "Siola" erklären lässt. Rückwärts gelesen ist es der Vorname des Vaters. Sozusagen als stilles Gedanken an ihm. Dann kam der nächste Schicksalsschlag. Bei einem großen Sturm hatte der Zirkus alles verloren. "Wir hatte im Leben sehr sehr viel Pech", denkt Michael an die Vergangenheit zurück. Mit einem geborgten, viel kleinerem Zelt musste es aber weitergehen.

All die Jahre haben sich die Csapais über Wasser gehalten. Vorstellungen wurden und werden an Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen etc. gegeben. Ständig sind sie auf der Suche nach Auftrittsmöglichkeiten, die immer rarer werden. Zum Repertoire gehören Handstände, Balance- und Drahtseilakte, Feuerschlucken mit Mutter Emmi, Messerwerfen, Saltospringerei und eben Tierdressuren. "Wir kämpfen und bauen uns langsam Stück für Stück wieder auf", meint Michael nach den vielen Rückschlägen. "Nur wer liegen bleibt, hat verloren", ist seine Devise. "Aufgeben können wir nicht, wir sind Artisten", schiebt Mutter Emmi stolz hinterher.

Auch wenn Dagmar Benecke von "Selbstverständlichkeit" spricht, sind die Zirkusleute über solch ein uneigennütziges Engagement froh. "Ohne Dagmar hätten wir es bei weitem schwerer. Sie hatte uns gegenüber keine Vorurteile und bot einfach Hilfe an. Durch solche Menschen hat man die Chance, zu überleben", ist sich der Balancekünstler Michael sicher. Es sei schon wichtig, solche Freunde zu haben. Für den "rettenden Engel" aus dem Dorf ist auch eines klar: "Die Menschen haben die Hilfe verdient, weil sie herzensgut sind und von ihrem wenigen auch noch etwas abgeben."

Wer dem kleinen Zirkus helfen will, kann sich bei Dagmar Benecke in 06493 Straßberg, Bergmann 196, Tel. 039489 / 46207, melden.