Radsport Radsport : Tour d'Allemagne

Halberstadt - Halberstadt sieht Rot! Zur Auftaktetappe der Deutschland-Tour hat sich am Donnerstag Pascal Ackermann (Bora-Hansgrohe) den Sieg nach den 167 Kilometern von Hannover in die Harzer Kreisstadt geholt - und damit auch das Rote Trikot des Führenden. Tausende Fannamen sind auf diesem knallengen Leibchen verewigt.
Die Fans haben sich mit ihren Ideen, Vorschlägen und Tipps an der Gestaltung der Deutschland-Tour beteiligt. Auf dem Kragen wird außerdem an das Jubiläum 30 Jahre Mauerfall erinnert. Das ist durchaus angebracht: Schließlich führt die Tour mit ihren 131 Teilnehmern in diesem Jahr von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt und später von Niedersachsen nach Thüringen immer wieder über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze.
Ob Radstars wie Thomas, Alaphilippe oder Buchmann etwas davon mitbekommen, wenn sie mit Tempo 50 am Grenzdenkmal vorbeirauschen?
Buchmann jedenfalls hat nicht auf das, was rechts und links der Straße liegt geachtet, sagt er nach dem Sieg. Er sei zu angespannt gewesen. „Es war eine wunderschöne Strecke, schöne Straßen und coole Zuschauer entlang der Strecke“, sagt er - und sieht dabei aus, als wäre er eben nach einem erholsamen Schlaf aufgestanden und hätte den ersten Cappuccino des Tages getrunken. Direkt nach der Zielankunft gibt er ARD-Reporter Michael Antwerpes ein Interview. Die Fotografen, die sich um den besten Platz balgen, schwitzen mehr als er, der Etappensieger, der bei der Siegerehrung von Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) mit Halberstädter Würstchen belohnt wird.
„Jede Etappe ist wie ein Klassiker angelegt“, sagt der Sportliche Leiter der Tour, Fabian Wegmann
„Jede Etappe ist wie ein Klassiker angelegt“, hatte der Sportliche Leiter der Tour, Fabian Wegmann, vor dem Auftakt des wichtigsten deutschen Rennens versprochen. Die erste Etappe war dann ein Fall für die Sprinter: Die Strecke führte vom 55 Meter hoch gelegenen Hannover nach Halberstadt in 140 Metern Höhe. Dabei wurde der Harz auch nur angekratzt. Höchster Punkt und einzige Bergwertung: Sternplatz bei Seesen in knapp 500 Metern Höhe.
Klassiker oder nicht: ARD und ZDF berichten mit viel Aufwand täglich am Nachmittag live ab etwa 16 Uhr von der Zielankunft. Den Auftakt hat das Erste am Donnerstag gemacht: Der Sender informierte ab dem Start mit einem „Sportschau“-Liveticker (ticker.tour.ard.de) beinahe im Minutentakt vom Renngeschehen und war dann am Nachmittag live in Halberstadt auf Sendung.
Am Freitag ist das ZDF ab 16 Uhr dran. Und so geht es abwechselnd weiter bis zur Zielankunft am Sonntag in Erfurt im ZDF. Angeblich wird das Rennen in 190 Länder übertragen.
Viel Aufwand wird auch an den Etappenorten betrieben. So gab es am Donnerstag in Halberstadt rund um das Ziel in der Harzstraße ein buntes Programm, in dessen Mittelpunkt das Fahrrad stand. Vom Mittag bis zum frühen Abend machte dort die „Expo Tour“ - laut Veranstalter „die größte mobile Fahrradmesse Deutschlands“ - Station.
Die jüngsten Radsport-Fans wurden bei der „kinder+Sport mini tour“ auf zwei Rädern aktiv, und die älteren Kinder starteten um 15 Uhr eine Bike-Parade. Für alle Besucher ohne große sportliche Ambitionen bot die „Ride-Tour“ die Möglichkeit, das Fahrradfahren zu genießen. Sie starteten in Thale und Blankenburg. In Quedlinburg und Ilsenburg hatten sich wohl nicht genügend Mitfahrer gefunden.
Die verbliebenen Radler trafen sich dann in Langenstein und fuhren von dort aus ins Ziel nach Halberstadt. „Wir wollen den Teams der Weltelite des Radsports einen gebührenden Empfang unter besten Bedingungen in unserer schönen Stadt bereiten“, hatte sich Oberbürgermeister Henke vorgenommen. Das ist gelungen: Es waren jede Menge jubelnde Halberstädter unterwegs.
Anders als bei der Tour de France geht es beim kleineren deutschen Ableger - also sozusagen der Tour d’Allemagne - nicht um Millionen. Aber immerhin: Insgesamt werden bei der Deutschland-Tour knapp 70000 Euro an Preisgeldern ausgeschüttet. Der Gesamtsieger erhält die krumme Summe von 7230 Euro. 3615 Euro gibt es für einen Etappensieg, jeweils 3000 Euro für die Gewinner der Sprint-, Berg- oder Mannschaftswertung. Zum Vergleich: Bei der Tour de France werden 2245800 Euro verteilt.
Die Deutschland-Tour hat viele Höhen und Tiefen erlebt. Immer wieder gab es längere Zeiträume, in denen das 1911 erstmals ausgetragene Rennen pausierte. Nach einer zehnjährigen Lücke wurde die Tour gerade erst im Jahr 2018 wiederbelebt. 2019 findet sie nun zum zweiten Mal nach dem Neustart statt. Wenn es so weitergeht wie diese erste Etappe, dann sind die Organisatoren auf einem guten Weg. (mz)

